Süddeutsche Zeitung

Pokalfinale und Fußball-EM:Kimmich und Weigl: Reife Bambis ohne Angst

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Von Javier Cáceres, Berlin

Dass Joshua Kimmich zum Elfmeterschießen antrat und das auch noch, wie er später verraten sollte, freiwillig tat, hat womöglich etwas damit zu tun, dass der Spieler des FC Bayern Gleiches mit Gleichem vergelten wollte. Denn er zeigte in dem Moment genau das, was im testosterongeschwängerten Fußball mit dem Wort cojones umschrieben wird, zumindest im spanischsprachigen Raum. Das Wort fiel, in seiner deutschen Entsprechung, als Kimmich später über seinen Mentor und Trainer Pep Guardiola sprach.

Der Katalane setzte Kimmich auf eine Trasse, die womöglich nach Frankreich führt, zur Europameisterschaft, die im Juni beginnt. Die Entwicklung in dieser Saison habe er "so nicht erwartet", sprach also Kimmich, 21, "ich muss dem Trainer danken". Weil der jene cojones vorlebte, die Kimmich im Elfmeterschießen zeigte: "Nicht viele hätten die Eier gehabt, mich als Innenverteidiger zu bringen", sagte Kimmich.

Das Finale in der Champions League nur im TV zu verfolgen, "das tut schon weh"

Kimmich hätte der tragische Held des Finales werden können; er schoss seinen Elfmeter nachgerade dramatisch schlecht. Weil die anderen vier Schützen des FC Bayern aber trafen, konnte die Marketing-Abteilung des FC Bayern am Ende doch die "Double"-T-Shirts auspacken, die alle Bayern-Spieler beim Verlassen der Kabine trugen. Auch Kimmich. Ein Triple-T-Shirt, das wär's gewesen.

Das Champions- League-Halbfinale gegen Atlético Madrid verloren zu haben und deshalb am kommenden Wochenende nur vor dem Fernseher zuschauen zu können, wie Real und Atlético in Mailand ein Stadtderby um den Henkelpott austragen werden, "das tut schon weh", sagte Kimmich und schaute klar und traurig wie Bambi.

Ob er zur EM fahren wird? Diese Ungewissheit teilte er mit dem zweiten Durchstarter, der in Berlin im Pokalfinale stand: Julian Weigl. Der Dortmunder wird am Dienstag ebenfalls unter jenen 25 Spielern des 27-köpfigen, vorläufigen EM-Kaders sein, die im Tessin die erste, zehntägige Phase der EM-Vorbereitung aufnehmen werden. Mario Götze soll die Folgen seines Rippenbruchs bis Mittwoch verarbeitet haben; Toni Kroos (Real Madrid) und Lukas Podolski (Galatasaray Istanbul) haben noch mit ihren Finalpflichten zu tun und reisen nach.

Zwar trat Weigl anders als Kimmich nicht freiwillig zum Elfmeterschießen an. Doch auch er bot eine Leistung, die beeindruckend reif war, erst recht unter Berücksichtigung seines Alters. Weigl ist 20 und damit sogar noch jünger als Kimmich. Die beiden dürften wohl in direkter Konkurrenz zueinander um einen Platz im endgültigen EM-Kader kämpfen. Bundestrainer Joachim Löw, der bis zum 31.

Mai vier Kandidaten streichen muss, sieht Kimmich wie Weigl als "Sechser", allerdings hat sich Kimmich als vielseitig verwendbar erwiesen. Es gibt wohl nur ein Szenario, das Kimmich und Weigl eine gemeinsame Reise nach Frankreich bescheren würde: Wenn sowohl Sami Khedira (Juventus Turin) als auch Bastian Schweinsteiger (Manchester United) passen müssten. Beide hatten zuletzt mit Blessuren zu kämpfen und wirken immer verletzungsanfälliger.

Welch Wertschätzung Weigl genießt, erfuhr er nach der Partie. Guardiola kam zu ihm und munterte ihn auf. Dass Guardiola ihn gern zu seinem neuen Klub Manchester City lotsen würde, gilt als sicher, im Dezember fragten die Engländer die Dortmunder, ob Weigl auf dem Markt sei. Ist er nicht. Zumindest vorerst nicht.

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SZ vom 23.05.2016
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