Süddeutsche Zeitung

Peng Shuai:Die Kritik an Peking wächst

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Im Fall der chinesischen Tennisspielerin fordert der Verein Athleten Deutschland das IOC auf, Farbe zu bekennen. Unterdessen verhängt die US-Regierung einen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking.

Von Gerald Kleffmann

Die WTA, die Vereinigung der Berufstennisspielerinnen, kann im Fall Peng Shuai offenbar auch auf die Unterstützung der US-Regierung zählen. US-Präsident Joe Biden wird mit seiner Regierung den Olympischen Winterspiele in Peking fernbleiben, wie das Weiße Haus am Montag verkündete. Es handelt sich um einen diplomatischen Boykott, US-Sportler dürfen an den Wettkämpfen teilnehmen. Als Grund nannte eine Regierungssprecherin im Allgemeinen "die anhaltenden Genozide und Verstöße gegen Menschenrechte in Xinjiang sowie weitere Menschenrechtsverletzungen".

WTA-Chef Steve Simon hatte vorige Woche verkündet, alle Turniere in China auszusetzen, solange keine Klarheit darüber herrsche, ob es der Tennisspielerin Peng Shuai gut gehe. Die 35 Jahre alte Chinesin, früher Nummer eins der Doppelweltrangliste, hatte am 2. November bei einem chinesischen Kurznachrichtendienst Vorwürfe der sexualisierten Gewalt gegen einen hochrangigen chinesischen Politiker geäußert. Der Beitrag war sofort gelöscht worden, Peng wochenlang verschollen, ehe sie kürzlich in von chinesischen Staatsmedien verbreiteten Beiträgen zu sehen war.

Ähnliche rigorose Konsequenzen der anderen maßgeblichen Tennisorganisationen blieben im Fall Peng Shuai vorerst aus. Nachdem kürzlich die ATP, der Dachverband der Männertour, bereits klargemacht hat, weiterhin Turniere in China auszurichten, hat sich nun der Tennis-Weltverband in ähnlicher Weise zu Wort gemeldet.

"Wir wollen nicht eine Milliarde Menschen bestrafen", sagte ITF-Präsident David Haggerty der BBC, deshalb würden auch weiterhin Jugend- und Seniorenturniere der ITF in China stattfinden. Der amerikanische Funktionär begründete die Entscheidung damit, dass seine Institution auch die Aufgabe habe, den Tennissport weltweit an der Basis zu fördern.

"Das IOC weicht aus, zögert oder weist Verantwortung von sich"

Im Zuge dieses Geschehens geriet auch das Internationale Olympische Komitee in die Kritik. Zunächst gab es keinerlei Reaktion des IOC, das im kommenden Februar in Peking die Winterspiele veranstaltet, dann ließ der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach die Nachricht veröffentlichen, er habe mit Peng telefoniert, sie sei in Sicherheit, lege aber Wert auf ihre Privatsphäre. Einblick in das Videogespräch hat die Öffentlichkeit bis heute nicht erhalten - und auch ein zweites Telefonat des IOC-Chefs mit Peng beruhigte Simon nicht.

Er bezweifelt, dass die Spielerin frei und ohne Zensur kommunizieren könne, und verlangte inzwischen wiederholt eine Untersuchung ihrer geäußerten Vorwürfe. Dieser Sicht schlossen sich mittlerweile hochrangige politische Stellen wie die Vereinten Nationen (UN) und die Europäische Union (EU) an. Das IOC verwies darauf, es praktiziere "stille Diplomatie".

Am Montag hat sich nun der Verein Athleten Deutschland geäußert und schwere Vorwürfe gegenüber dem IOC erhoben. "Das scheinbar absichtliche Ausklammern des dreiwöchigen Verschwindens Peng Shuais und der von ihr erhobenen Missbrauchsvorwürfe in seinen beiden Stellungnahmen lässt befürchten, dass das IOC politischen und wirtschaftlichen Interessen größeren Stellenwert beimisst als dem Schutz von Athlet*innen", heißt es in einer Erklärung.

Der Umgang des IOC mit dem Fall Peng Shuai bestätige ein "wiederkehrendes Verhaltensmuster im Umgang mit Athlet*innen, deren fundamentale Rechte verletzt werden und die von Gewalt, Diskriminierung, Verfolgung oder Repressionen betroffen sind". Konkret prangerte der Verein Athleten Deutschland an: "Das IOC weicht aus, zögert oder weist Verantwortung von sich." Maximilian Klein, bei Athleten Deutschland Beauftragter für internationale Sportpolitik, fordert: "Das IOC muss jetzt Farbe bekennen, seiner menschenrechtlichen Verantwortung nachkommen und endlich im Einklang mit seinen Idealen handeln."

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