Süddeutsche Zeitung

Olympia-Aus der deutschen Fußballer:Ein Heiratsantrag als Highlight

Lesezeit: 3 min

Das Aus bei den Sommerspielen markiert einen weiteren ernüchternden Turnierauftritt der deutschen Fußballer. Der DFB hat nun einige Fragen zu beantworten - und Trainer Stefan Kuntz will erstmal überlegen, wie es mit ihm weitergeht.

Von Holger Gertz, Tokio

Die deutschen Fußballer bei diesen Olympischen Spielen, was bleibt denn nun von denen in Erinnerung? Der Heiratsantrag von Max Kruse an seine Freundin, live in die TV-Kamera gesprochen nach dem Spiel gegen Saudi-Arabien, der bleibt natürlich, über den haben ja viele geredet und geschrieben, jedenfalls in Deutschland. Kruse weiß, wie man sich im Gespräch hält. Andererseits: Was ist das eigentlich für eine Bilanz einer Fußballmannschaft, in der am Ende, im Plusbereich, nur ein Heiratsantrag steht?

Dabei wäre noch etwas möglich gewesen im Spiel Nummer 1 nach dem Heiratsantrag, gegen die Elfenbeinküste im Miyagi Stadium, 350 Kilometer nördlich von Tokio, da waren sogar ein paar Zuschauer zugelassen. Ein gutes Zeichen, wenn wieder Leute beim Spiel sind, und ein gutes Zeichen auch, dass die deutsche Auswahl diesmal zum ersten Mal bei Olympia wie eine Mannschaft spielte, also miteinander, hinten wie vorn. Gegen den Olympiasieger Brasilien, beim 2:4, hatte das Team von Stefan Kuntz noch das Fell nach allen Regeln der Spielkunst über die Ohren gezogen bekommen. Danach hatten sie eine Abwehrschlacht gegen Saudi-Arabien mit einem glücklichen 3:2 überstanden, wobei man es nochmal hinschreiben muss: Abwehrschlacht gegen Saudi-Arabien.

So sieht die Realität des deutschen Fußballs gerade aus. Und dann also, finales Spiel gegen die Elfenbeinküste, mit einem Sieg wären die Deutschen doch noch ins Viertelfinale gerutscht, und so ungeschickt stellten sie sich nicht an. Kapitän Maximilian Arnold war zurück nach seiner Gelb-Rot-Sperre aus der Auftaktpartie, sie versuchten es gezielter über außen, und nach einer Flanke von Kruse hätte Ragnar Ache schon früh den olympischen Spezialball fast ins Tor geköpfelt, traf aber nur die Latte.

Das deutsche Team war eine Rumpftruppe, weil die Klubs nicht bereit gewesen waren, stärkere Kräfte abzustellen

Die Deutschen also geordneter zu Beginn, überlegen, aber mit dem letzten Druck dann eben doch nicht. Marco Richter mit dieser und auch jener Gelegenheit, aber wie auch in der Liga braucht er viel zu viele Chancen für ein Tor, das dringend nötig gewesen wäre. So tickten die Minuten runter, und die Zeit wurde knapp. Und irgendwie passte es, dass die Afrikaner, nach vorn recht verhalten spielend, aus einem Zweikampf heraus zum 1:0 kamen.

Benjamin Henrichs grätschte den Ball sicherheitshalber in den eigenen Kasten, bevor Youssouf Dao hätte zur Tat schreiten können. Sechs Minuten später: brillanter Freistoß von Eduard Löwen, ein Traumtor, das 1:1. Das zweite erinnerungswürdige Ereignis bei diesen Olympischen Spielen. Aber, nochmal: Was ist das eigentlich für eine Bilanz einer Fußballmannschaft, in der am Ende, im Plusbereich, ein Heiratsantrag steht, und ein Freistoß ganz im Stil des alten Zico?

Solche Fragen werden sie beim DFB zu beantworten haben, den ernüchternden Turnieren der A-Mannschaft schloss sich der nächste bittere Auftritt an. Wobei die Spieler vor Ort das Beste noch zu machen versuchten, aber sie waren halt eine Rumpftruppe, weil die Klubs nicht bereit gewesen waren, stärkere Kräfte abzustellen. Statt 22 möglichen Fußballern nominierte Kuntz 18, mehr kriegte er nicht zusammen und war deshalb von Anfang an in seinen Möglichkeiten beschränkt. Und am Ende auch: Gegen die Elfenbeinküste wechselte er Innenverteidiger Keven Schlotterbeck für den Sturm ein, und Ache blieb trotz Krämpfen drin. Wer sollte denn auch kommen?

"Wir waren kaserniert, eingesperrt, durften nicht auf die Straße gehen", sagt Kuntz

Manchmal schafft das auch Energien: den Mangel verwalten. Und der begabte Motivator Kuntz, kürzlich mit der U21 Europameister geworden, schien noch nach dem Saudi-Arabien-Spiel genau das vorzuhaben: aus wenig viel machen. Aber diese Vision war etwas zu sehr geprägt vom Glauben an die Kraft der Turniermannschaft, die die Deutschen früher waren. Vorbei auch das. Der Trainer will jetzt überlegen, wie es mit ihm weitergeht. "Wenn ich sofort nach dem Spiel etwas über meine Zukunft sagen könnte, wäre ich nicht voll bei dem Spiel gewesen. Da mache ich mir in Ruhe Gedanken", sagte Kuntz. Und im Verband - wenn denn da mal irgendwann jemand zu Erkenntnissen wieder fähig ist - sollten sie erkennen, dass es genau so wie jetzt eben nicht weitergeht: Mit dem allerletzten Aufgebot antreten, weil den Vereinen das olympische Turnier null bedeutet. Dann doch besser verzichten.

Kuntz echauffierte sich dann auch noch über die strengen Regelungen. Außer "den zwei Besuchen im olympischen Dorf" sei aus seiner Sicht kein olympisches Gefühl aufgekommen: "Wir waren kaserniert, eingesperrt, durften nicht auf die Straße gehen. Wir durften nur nach langem Hin und Her einen Balkon mal öffnen lassen", sagte der 58-Jährige nach dem Turnier-Aus. "Da muss ich sagen: Da hätte ich gern mehr olympisches Flair gehabt."

So wie es jetzt gelaufen ist, hat die Expedition nach Fernost also wenig Sieger aus deutscher Sicht hervorgebracht. Max Kruse schon, und auch Max Kruses Freundin. Aber sonst? Maximilian Arnold sagte: "Die Enttäuschung ist riesengroß. So richtig waren wir nie im Turnier drin. Wir fahren natürlich mit einem sehr weinenden Auge nach Hause." Was das andere Auge unterdessen macht - da hielt Arnold sich bedeckt.

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