Süddeutsche Zeitung

Olympia 2032:Geheime Euphorie

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Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Vor zwei Wochen preschte Alfons Hörmann mit einigen verblüffenden Aussagen vor. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sprach in einem dpa-Interview über eine mögliche deutsche Olympia-Bewerbung für 2032, und seine Botschaft war: Berlin ist auf jeden Fall raus, die einzige Option ist die Initiative Rhein und Ruhr, in der sich 14 Kommunen von Düsseldorf bis Aachen zusammengeschlossen haben. Und in seinen Ausführungen fanden sich bemerkenswerte Hinweise. Man habe das Erbe der vergangenen, gescheiterten Bewerbungen "systematisch analysiert", sagte Hörmann; und er zitierte eine Forsa-Umfrage, die "ein erfreulich positives Bild der Stimmungslage in Rhein-Ruhr und in jeder der beteiligten Kommunen" ergeben habe.

Das klang so, als stünde Deutschland nach insgesamt sechs und zuletzt zwei an der Bevölkerung gescheiterten Versuchen wieder bereit für Olympia. An Rhein und Ruhr brach umgehend Jubel aus - wenngleich klar ist, dass international die Chancen für einen Zuschlag sehr gering sind. Ein anderes Problem ist: Hörmanns Darlegung lässt sich bisher nicht nachvollziehen. Denn der DOSB agiert wieder einmal nicht transparent. Die "systematische Analyse" und die Ergebnisse der Umfrage werden bisher nicht nur der Öffentlichkeit vorenthalten, sondern sogar dem für den Spitzensport zuständigen Bundesinnenministerium. "Entsprechende Aufarbeitungen durch den organisierten Sport sind dem BMI bisher nicht bekannt", teilt das Ministerium auf SZ-Anfrage mit.

Die Heimlichtuerei gegenüber dem Ministerium ist sehr ungewöhnlich, denn ohne die Unterstützung des BMI und der Bundespolitik ist eine Bewerbung überhaupt nicht vorstellbar. Zudem sind die beiden Häuser derzeit dabei, eine gemeinsame Strategie für Sportgroßveranstaltungen zu erarbeiten; erst am Freitag veröffentlichte das Ministerium ein Grobkonzept. Der DOSB bestätigte am Montag auf Anfrage, dass er die Resultate dem Ministerium bisher nicht mitteilte, und sagte zugleich: "Selbstverständlich wird das BMI die Ergebnisse bekommen." Aber wann und warum bisher nicht, das sagte er nicht.

Auch bei Medienanfragen will der Sportdachverband derzeit nichts zum Thema sagen. Nichts zu den konkreten Ergebnissen; nichts zur Anzahl der befragten Bürger und damit dem Punkt, wie repräsentativ die Umfrage in 14 Kommunen gewesen sein kann; nichts auch zur genauen Fragestellung, die bei derartigen Umfragen immer von Belang ist, weil sich je nach konkreter Formulierung Antworten beeinflussen lassen. Erst wenn sich das Präsidium auf einer Sitzung Ende April mit der möglichen Olympia-Bewerbung befasst hat, will der DOSB dies öffentlich machen.

Im Ministerium scheint es Zweifel an der Aussagekraft von Analyse und Umfrage zu geben

Dabei ist die generelle Frage, welchen Wert eine solche Umfrage zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt haben kann, um darauf eine Bewerbung zu errichten. Denn die Macher der Rhein-Ruhr-Initiative um Sportmanager Michael Mronz präsentieren sich zwar seit Jahren als emsig, aber es fehlen in ihrem Konzept noch zahlreiche wichtige Punkte. So ist etwa unklar, wo das Leichtathletik-Stadion stehen soll. Vor allem liegen noch keinerlei Kostenkalkulationen vor. Aber die Finanzen sind neben dem andauernden Fehlverhalten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ein wesentlicher Punkt für die Bevölkerung, die zuletzt zweimal eine Bewerbung (München 2022, Hamburg 2024) ablehnte.

Auch beim Bundesinnenministerium scheint es Zweifel an der Aussagekraft von Analyse und Umfrage zu geben. Diese seien "für eine weitere gemeinsame Diskussion sicherlich eine wertvolle Grundlage", teilt es betont zurückhaltend mit. Im politischen Berlin ist auch noch die Erinnerung virulent, dass die DOSB-Spitze in der Interpretation von Umfragen schon sehr eigenwillig vorgegangen ist. Vor ein paar Jahren entstand nach Hörmanns Vortrag bei der Vorstellung der sogenannten Leistungssportreform der Eindruck, als ob gemäß einer Umfrage unter 500 Athleten 95 Prozent der Teilnehmer für das umstrittene Projekt seien. Kurz darauf zeigte sich: Es war keine Umfrage zur Leistungssportreform gewesen, sondern lediglich eine im Zuge eines Markenprozesses.

Im März 2015 hatte es auch schon mal eine Forsa-Umfrage des DOSB zu einer Olympia-Bewerbung gegeben. Das war kurz vor der Entscheidung, ob Hamburg oder Berlin der Kandidat für die Sommerspiele 2024 werden solle. In Hamburg gab es laut Umfrage 64 Prozent Zustimmung, in Berlin nur 55. Die Hansestadt gewann - auch deswegen - die Vorauswahl. Aber im Referendum ein gutes halbes Jahr später lehnte die Bevölkerung die Kandidatur ab. Folgt der DOSB dieser Erfahrung, sollten es in der aktuellen Umfrage für Rhein-Ruhr also schon deutlich mehr als 64 Prozent sein, um den Wert als ausreichend zu empfinden.

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Quelle:
SZ vom 25.02.2020
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