Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:So wird es für Nürnberg nicht reichen

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Von Christoph Ruf, Nürnberg

Es war genau die Szene, die sich in diesem Moment nicht hätte ereignen dürfen, und sie passte bestens zu einem Freitagabend, der aus Nürnberger Sicht einfach nur deprimierend war. Sebastian Kerk, kurz zuvor eingewechselt, um aus dem 0:1 noch einen Ausgleich zu zaubern, verdaddelte in der 93. Minute den Ball in der Vorwärtsbewegung. Der Rest war ein Wolfsburger Ball in die Tiefe, der 0:2-Endstand durch Josip Brekalo und ein aus Nürnberger Sicht niederschmetterndes Fazit: Diese Mannschaft tut alles, um trotz aller Widrigkeiten den Klassenerhalt zu schaffen, sie stemmt sich gegen Rückstände und gegen Mannschaften wie Wolfsburg, bei denen ein Mannschafsteil so viel kostet wie beim Club der ganze Kader. Aber es könnte am Ende nicht reichen.

Weil man fleißig nach vorne arbeitet, dabei aber eben auch reichlich unbeholfen agiert. Weil die Flanken zu selten ankommen, dem ein oder anderen die individuelle Qualität fehlt. Und weil man Gegentore leicht so kriegt wie am Freitag: Nach einem Ballverlust wie dem von Kerk oder nach einem eigenen (!) Freistoß wie beim 0:1 durch Daniel Ginczek (58.). "Wenn dann drei, vier Spieler im Abwehrverbund unterschiedliche Ideen haben, wird`s schwer", seufzte Club-Trainer Michael Köllner, der sich ansonsten sehr viel Mühe gab, Optimismus zu verbreiten.

Kollege Bruno Labbadia äußerte sich hingegen ähnlich abgeklärt wie seine Mannschaft zuvor gespielt hatte. Doch wer den Mann in der Endphase der vergangenen Saison erlebt hat, als er den in einem desolaten Zustand übernommenen VfL erst in der Relegation gegen Holstein Kiel hatte retten können, merkte bei jedem seiner Sätze, wie leicht das Dasein in Wolfsburg in den vergangenen Wochen geworden ist. Seit der Niederlage in Hannover am 9. November siegte man dreimal und holte ein Remis. Berauschend spielten die Niedersachsen dabei selten, in Nürnberg schon gar nicht, aber eben effektiv und clever. So wie beim 0:1, als sich Ginczek geschickt von seinem Gegenspieler löste, kurz verzögerte und dann platziert abschloss (58.). Oder wie beim 0:2, das Brekalo ähnlich abgebrüht erledigte.

Ginczek erntet den Lohn für seine Qualen

Der Wolfsburger Einwechselspieler blieb damit aber natürlich im Schatten von Ginczek, der in den letzten drei Partien getroffen hat und nicht nur nach Ansicht seines Trainers "wenn er fit ist, zu den besten Abschlussspielern" des Landes gehört. Um das mit der Fitness nach diversen Verletzungen hinzubekommen, hat sich Ginczek im Sommer wochenlang gequält und musste sich von Labbadia dennoch immer wieder anhören, er sei noch nicht so weit. Die ersten vier Saisonspiele verbrachte er zunächst auf der Bank, auch danach gehörte er bis zum neunten Spieltag nur einmal zur Startformation. "Er brauchte am Anfang hier viel Geduld", weiß Labbadia. "Er hat natürlich mit den Hufen gescharrt." Der Mann wollte spielen. Jetzt darf er es und trifft.

Nur allzu gerne hätten sie sich in Nürnberg im Sommer auch mal eben einen Ginczek geleistet, sie hätten ihm nicht einmal den Weg zum Valznerweiher erklären müssen, denn als der gebürtige Dortmunder 22 Jahre alt war, kickte er als vielversprechendes Talent ja bereits einmal ein Jahr in Nürnberg. Doch so viel Geld, um einen Mann seines Kalibers zu holen, haben sie in Franken nicht. Und so viel Geld werden sie auch im Winter nicht haben. Auch wenn sie wohl schon wüssten, wo sie nachjustieren würden, um die Klasse halten zu können: vielleicht auf den defensiven Außenbahnen, ganz sicher aber in der Offensive, wo dem seit neun Spielen sieglosen Aufsteiger einfach zu selten Tore gelingen.

"Wolfsburg war ja heute nicht gut, das müssen wir eigentlich gewinnen", sagte FCN-Offensivmann Federico Palacios und hatte damit angesichts des niedersächsischen Niedrigtemperatur-Vortrags genauso Recht wie Club-Verteidiger Tim Leibold, der mit ein wenig Wut in der Stimme betonte, der Gegner sei "heute mehr als schlagbar" gewesen. Dass das stimmt, machte den Abend für den spärlich erschienenen Club-Anhang fast so deprimierend wie der Nachsatz, den sich Leibold möglicherweise verkniffen hat. Ja, Wolfsburg wäre von einer soliden Bundesliga-Mannschaft vielleicht besiegt worden. Doch der 1. FC Nürnberg ist das in der gegenwärtigen Verfassung nicht.

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