Süddeutsche Zeitung

Dennis Schröder bei den Lakers:Experiment für alle Seiten

Lesezeit: 4 min

Die NBA verlässt die Blase, und Dennis Schröder hat ein Ziel: Er will Stammspieler bei den Los Angeles Lakers werden - denn nur so könnte er frei wählen, wo er künftig spielen will.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es sind schöne Geräusche, die beim Videogespräch mit Dennis Schröder im Hintergrund zu hören sind: ein Basketball, der auf Parkett gedribbelt wird; das Quietschen der Sneakers bei Richtungswechseln; ein paar Rufe wie "Abspielen!" oder "Werfen!" Alles, was ein bisschen vertraut und nach Normalität klingt, ist derzeit wohltuend in Los Angeles, das wieder mal eine Ausgangssperre für seine Bewohner verhängt hat und mit härteren Maßnahmen droht. Es ist deshalb beruhigend, wenn ein Basketballspieler von der Trainingshalle der Lakers aus in sein Handy grinst und sagt, dass es ihm ganz gut gehe seit dem Umzug aus Oklahoma City.

"Das wird nun alles ein bisschen verrückt", sagt Schröder. Er müsse ein Haus für seine Familie finden, das zweite Kind kam im August zur Welt, gleichzeitig müsse er sich auf die kommende Spielzeit in der nordamerikanischen Basketballliga NBA vorbereiten. Er will mit den Lakers den Titel verteidigen, und er will dabei der Haupt-Ballverteiler für LeBron James und Anthony Davis sein: "Ich habe das mit dem Von-der-Bank-Kommen zwei Jahre lang in OKC getan. Ich glaube, dass ich nun bereit bin für den nächsten Schritt und dass ich den Kollegen als Stammspieler gut helfen kann."

Die Lakers sollen die Saison am 22. Dezember gegen den Stadtrivalen Clippers eröffnen, von kommendem Freitag an soll es Vorbereitungsspiele geben - doch schon die Geräusche aus der Lakers-Trainingshalle zeigen, dass das alles andere als einfach werden dürfte. Zu hören sind nämlich nur ein Ball, nur ein Paar Schuhe, nur eine Stimme. Viel mehr ist nicht erlaubt derzeit, und das liegt auch an den Zahlen, die die NBA am Mittwoch veröffentlicht hat.

Die Toronto Raptors ziehen eine Saison lang nach Florida

Sie hat in der letzten Novemberwoche insgesamt 546 Akteure auf das Coronavirus getestet, 48 Tests waren positiv. Die gute Nachricht: Die Quote (8,8 Prozent) ist niedriger als der Schnitt in den USA (10,2 Prozent). Sie ist aber höher als die vom Juni (5,3 Prozent), als die NBA die im März abgebrochene Saison in der sogenannten Bubble in Disney World im Bundesstaat Florida zu Ende gespielt hat. Nun will es die Liga ohne Blase probieren: Die Lakers sollen nach dem Auftakt gegen die Clippers am Weihnachtstag die Dallas Mavericks empfangen. Viel mehr ist noch nicht bekannt, außer dass es nur 72 statt der üblichen 82 Partien pro Mannschaft geben wird, dass Auswärtsreisen effizienter gestaltet werden sollen (also zwei Partien nacheinander gegen denselben Gegner in dessen Halle) und dass die Playoffs am 22. Mai beginnen sollen.

Die NBA hat ein 134 Seiten dickes Dossier verschickt, in dem so ziemlich alles geregelt sein soll, zum Beispiel eben, wie viele Leute derzeit gleichzeitig in den Trainingshallen sein dürfen. Die wichtigste Botschaft: Es kann jederzeit Veränderungen geben, und wenn 30 Mannschaften über Monate hinweg kreuz und quer durch die USA reisen (die Toronto Raptors, das einzige Team aus Kanada, wird in Tampa im Bundesstaat Florida angesiedelt sein), dann wird diese Spielzeit trotzdem ein gewaltiges Experiment sein - wie gewaltig, das zeigte der Versuch von Golden-State-Warriors-Besitzer Joe Lacob, 30 Millionen Dollar in Tests zu investieren, damit die Halle in San Francisco wenigstens zur Hälfte gefüllt werden könne. Die NBA musste gar nicht ablehnen, das tat das Gesundheitsamt der Metropole.

Vor allem LeBron James wollte Schröder bei den Lakers sehen

Ein Experiment also, das führt direkt zu Schröder. Der befindet sich in seinem letzten Vertragsjahr. Dem Vernehmen nach hat offenbar James auf dessen Verpflichtung gedrängt. Die Lakers hatten Ende 2019 ein Tauschgeschäft vorgeschlagen, die Umarmung während einer Partie darf als freundschaftliches Werben gedeutet werden. James, so ist aus dessen Umfeld zu hören, sei begeistert vom Ehrgeiz und auch vom Selbstbewusstsein von Schröder, und er habe dringend darum gebeten, diesen Typen aus Oklahoma City zu holen, der in der Bubble von Florida die auch statistisch stärkste Saison seiner Karriere hingelegt hat (18,9 Punkte und vier Vorlagen pro Partie, dazu eine deutlich verbesserte Dreierquote) und bei der Wahl zum besten Einwechselspieler der Liga den zweiten Platz belegte.

Damals wollte Schröder lieber bei Thunder bleiben, das hatte er recht deutlich gesagt, deshalb gab es nun auch Klärungsbedarf, ob er denn überhaupt zu den Lakers wollte. Er habe nur die Situation damals gemeint, sagte er: "Ich freue mich total auf Los Angeles und die Lakers." Er hatte auch, so sind die NBA-Regeln, kein Mitspracherecht bei diesem Tauschgeschäft. Deshalb ist es wichtiger, was er über seine Zukunft sagt: "Mein Management wird mit den Verantwortlichen der Lakers reden, und wir werden sehen, ob was dabei rauskommt, mit dem dann beide Seiten zufrieden sind."

Sie wird ein Experiment, diese NBA-Saison, genau wie die Zeit von Schröder bei den Lakers. Er dürfte Stammspieler sein neben James, der am Mittwoch um zwei Spielzeiten verlängert hat und in den kommenden drei Jahren insgesamt 124,7 Millionen Dollar verdienen wird; und neben Davis, der bei den Lakers bleiben wird - die Frage ist nur: für wie lange und für wie viel? Die Extrem-Optionen sind fünf Jahre für 190 Millionen oder zwei für 68 Millionen Dollar, dazwischen ist alles denkbar.

In einer ähnlichen Situation, mit immer noch atemraubenden, aber nicht ganz so galaktischen Zahlen, dürfte sich Schröder nach der kommenden Saison als Free Agent befinden. Es ist einer der wenigen Momente, in denen ein NBA-Profi wirklich selbst darüber bestimmen darf, wo er künftig spielen will. Die Aussagen von Schröder sind deshalb nicht als übliche Floskeln zu verstehen, sondern als ehrliches Statement: Er will wissen, wie es so läuft bei den Lakers - und erst dann wird er sich entscheiden, ob er in dieser Trainingshalle mit den schönen Geräuschen noch ein bisschen länger bleiben will.

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