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Fußball in Europa:Die Nations League muss sich überlegen, was sie uns sagen will

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Noch immer wissen selbst Experten nicht, welchen Wert dieses neue Fußballevent nun genau hat - fest steht aber: In Europa ist es verdammt schwer, Titel zu gewinnen.

Kommentar von Christof Kneer

Deutschland ist abgestiegen! Kroatien ist abgestiegen! Dafür sind Bosnien und die Ukraine jetzt erstklassig! Noch immer wissen selbst die Experten nicht, welchen Wert diese neue Nations League nun genau hat und welche Erkenntnisse in ihr stecken, außer natürlich, dass Deutschland und Kroatien abgestiegen und Bosnien und die Ukrainer jetzt erstklassig sind. Gut, anzumerken wäre noch, dass Finnland und Norwegen in jene B-Liga aufgestiegen sind, in die die Deutschen abgestiegen sind und dass auf den DFB in der nächsten Nations-League-Kampagne also womöglich ausgezeichnete Dienstreisen ins lobenswerte Skandinavien warten. Oder möchte die Nations League uns eher darauf hinweisen, dass der skandinavische Fußball insgesamt wieder im Kommen ist, zumal die Dänen künftig in der A-Liga spielen?

Die Nations League muss sich selber noch überlegen, was sie uns genau sagen will. Sicher zählt die Schweiz jetzt nicht zu den vier besten Ländern Europas, nur weil sie das Final Four der Nations League erreicht hat. Dennoch ist der neue Wettbewerb ein großes, buntes Schaufenster: Man sieht schön herausgeputzt, wer gerade wie Fußball spielt, und so bestätigt die Nations League nun just die These eines Mannes, der diese Liga als "willkürlich erdachten Wettbewerb" beschimpft hat, den man "sofort wieder abschaffen sollte". Berti Vogts hat das gesagt, jener Mann, dem einst der nachweltüberlieferungswürdige Satz einfiel, die Breite an der Spitze sei dichter geworden.

Ja, das ist sie wirklich, und diese Erkenntnis führt nun direkt zur deutschen Elf und ihrem Trainer. Man wolle versuchen, bei der EM 2020 "wieder um den Titel mitzuspielen", hat Jogi Löw nach dem 3:0 gegen Russland gesagt - als Idee geht das in Ordnung, aber schon ein flüchtiger Blick ins Nations-League-Schaufenster genügt, um zu begreifen, wie ambitioniert dieser Plan ist. Auf dem Weg zum Titel ist der Verkehr in Europa so dicht wie noch nie: Schon bei der WM in Russland war das Halbfinale eine rein europäische Veranstaltung, und dazu kommen nun wieder Nationen wie die Niederlande, die, ähnlich wie die Engländer, aus Fehlern klug und gut geworden sind.

Beim DFB haben sie das Gefühl, dass sie alles getan haben, um der neuen Wettbewerbssituation auf dem europäischen Markt gerecht zu werden. Im Herbst haben sie nach dem 0:3 in Amsterdam den Trainer gewechselt und den alten Jogi Löw durch einen neuen Jogi Löw ersetzt, und der hat wie ein echter neuer Trainer gleich mal eine neue Elf aufgestellt. Ob diese Elf 2020 aber wirklich um den Titel mitspielen kann, wird davon abhängen, ob der Jojo-Jogi seine Körperspannung und den straffen Willen zur Reform beibehält - oder ob er im zunächst etwas sabbaticalartigen Länderspieljahr 2019 in alte Muster zurückfällt und im Oldtimer, dann eher ohne dichten Verkehr, bequem durch seinen Schwarzwald fährt.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2018
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