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Bundestrainer:Löw muss eine Trotzreaktion provozieren

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Felix Magath fordert die sofortige Ablösung des Bundestrainers. Aber was würde das bewirken? Die Hoffnungen ruhen auch auf einem Jetzt-erst-recht-Effekt.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein, München

Einst, als Felix Magath noch unten an der Seitenlinie stand, galt er als engagierter Anwalt seiner Zunft. Seiner damaligen Auffassung nach war der Trainer das schwächste Glied in der Nahrungskette des Fußballs. Er selbst drückte es drastisch aus, und angesichts der Debattenlage sei es, trotz der Osterruhe, kurz wiederholt: "Der Trainer ist hier doch immer der letzte Arsch."

Heute, mit 67, sitzt der einstige Meistercoach des FC Bayern und des VfL Wolfsburg auf der Tribüne weiter oben. Allerdings muss er die Tabelle, will er sofort seinen aktuellen Arbeitgeber finden, von unten lesen. Magath darf sich zwar weltläufig "Head of Global Soccer" nennen, allerdings bei Kickers Würzburg, Tabellenletzter, zweite Liga. Mit Trennungen kennt er sich aus, in der laufenden Saison beendete er eine Beziehung gar mit den Worten: "Der Trainer kann weiter in Ruhe arbeiten - nur halt woanders. Wo ist das Problem?"

Das 1:2 gegen Nordmazedonien hat Fußballdeutschland durchgerüttelt

Das Problem lag auch darin, dass sich Magath damit einen sauber formulierten Rüffel einhandelte. Der indirekte Vorwurf: praktizierter Zynismus. "Der Bund Deutscher Fußball-Lehrer steht für einen respektvollen Umgang der Trainer*innen untereinander und Dritten gegenüber ..." - hieß es einleitend in einer öffentlichen Erklärung. Daran an schloss sich die Feststellung des BDFL, dass Magath einen neuen Startrekord für die zweite Liga aufgestellt habe: Der erste Würzburger Coach war am zweiten, dessen Nachfolger am siebten Spieltag weg. So schnell wie Magath feuert niemand.

Seither gab er ein bisschen Ruhe. Jetzt aber fordert Magath in dem durch das 1:2 am Mittwoch gegen Nordmazedonien wieder mal schwer durchgerüttelten Fußballdeutschland, dass wieder einer weg müsse. Und Magath wäre nicht Magath, hätte er nicht sofort eine Lösung parat: Hansi Flick möge einfach voll durchziehen. Erst den FC Bayern München zu Meisterschaft und/oder Champions League coachen, und dann flugs rüber wechseln, um pünktlich zur Europameisterschaft Joachim Löw beim Nationalteam zu beerben. Die Mannschaft, so Magath, sei im Kern doch eh dieselbe.

Abgesehen davon, dass Flick vielleicht einmal Bundestrainer werden wird, dürfte er zu einem solchen Manöver unter gar keinen denkbaren Umständen bereit sein. Zwar besteht eine akute sportliche Notlage, aber kein Anlass zu Aktionismus. Diesen hätte es naturgemäß gegeben, hätte Löw nicht jüngst selbst das Zeichen gesetzt, dass es in Kürze vorbei sein wird. Dass er vorzeitig mit dem Ende der EM aufhört; der Vorrunden-Knockout bei der WM 2018 in Russland oder das 0:6 im November gegen Spanien zeigten Wirkung. Die zentrale Frage jetzt muss jedoch lauten: Wird diese Mannschaft Löw noch ein letztes Mal folgen? Oder leistet sie gar Widerstand?

Von innerbetrieblicher Revolution aber ist wenig zu erkennen. Im Gegenteil, die Wortführer der relativ leisen Truppe haben unisono erklärt, dass sie sich für das Löw-Finale schwer ins Zeug legen wollen. Gehofft wird zudem auf einen Jetzt-erst-recht-Effekt. Möglich ist ein solcher immer, das wusste schon Fußballlehrer Magath, der einst feststellte: "Jeder Sieg, jeder Erfolg führt zur Bequemlichkeit." Hieße im Umkehrschluss: Große Siege? Davon gab's bei Löw zuletzt nicht gar so viele. Zur Schubumkehr braucht es nun aber einen Bundestrainer, der sich noch einmal strafft, der Energie aufnimmt, der die Fantasie entwickelt, eine Trotzreaktion zu provozieren.

Magath wechselt wieder mal die Pferde

Postskriptum: Während der Niederschrift dieses Textes raste am Karfreitag eine Eilmeldung durch die Republik. Felix Magath hat es schon wieder getan! Erneut hat er gezeigt, wie man die Pferde wechselt. Nicht einmal 48 Stunden vor Würzburgs Zweitliga-Kracher am Sonntag in Sandhausen, der Letzte beim Vorletzten, hat er Bernhard Trares entlassen, bei den Franken übernimmt der vierte Trainer der Saison. Inwiefern Magath mit diesem Kraftakt seine Argumentation in der Bundestrainerfrage unterfüttern wollte, ist noch völlig offen.

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