Süddeutsche Zeitung

Manchester United:Mourinhos "Sorry" an die Fans

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Noch fremdelt José Mourinho bei Manchester United. Daran hat auch ein Interview Schuld, in dem sich der Portugiese über sein Team lustig macht.

Von Javier Cáceres, Manchester

José Mourinho kann sich auch in Demut üben; man muss ja nicht immer alles gleich für Demagogie halten. Am Mittwochabend, im Old-Trafford-Stadion, ging er von der Trainerbank Richtung Kabinengang, und im Stadion von Manchester United bedeutet das: genau auf die Gerade zu, die Uniteds treueste Fans beherbergt.

Zuerst hielt Mourinho vier Finger einer Hand vor der Brust hoch und hatte die andere zur Faust geballt - dann wieder legte er beide Hände zusammen, wie es Kinder tun, wenn sie beten. Es folgte eine kleine, japanisch anmutende Verbeugung.

"Sorry, mates, das 0:4 beim FC Chelsea war nicht so gut", sollte das offenkundig heißen. Er stieß, das wusste er, mit seiner Geste auf Wohlwollen, die Adressaten seiner Botschaft waren guter Laune. United hate gerade den Nachbarn Manchester City mit 1:0 besiegt und damit aus dem Ligapokal geworfen, durch ein Tor des Spaniers Juan Mata. "The Special Juan", titelten die Namenswitzakrobaten der britischen Zeitungen am Donnerstag - in Anspielung auf "The Special One", als der sich bekanntlich Mourinho selbst gern charakterisiert.

Guardiola bewies mehr Mut als Mourinho

Es war allerdings ein Sieg, der als Muster nur bedingt taugte. Der Ligapokal sorgt zwar für volle Stadien und gute Einschaltquoten der Bezahlsender. Aber sein sportlicher Wert ist gering. Weil die Spitzenteams derart unter der Belastung irrwitzig vieler Spiele aus Liga, Pokal, Champions- und Europa-League klagen, nutzen viele den Ligapokal als besseren Test-Parcours. Wer beispielsweise am Abend zuvor die Startaufstellungen von Liverpool und Tottenham Hotspur (2:1) mit jenen verglich, die am Wochenende aufgeboten worden waren, kam auf erstaunliche Zahlen: Liverpools Trainer Jürgen Klopp kam auf elf von elf möglichen Wechseln, sein Tottenham-Kollege Mauricio Pochettino auf zehn von elf. Ganz so munter wechselten City-Trainer Pep Guardiola und José Mourinho zwar nicht durch. Aber beachtlich war es allemal.

Guardiola hatte dabei mehr Mut zur Lücke als Mourinho, der den Erfolg dringender brauchte und immerhin Torwart David De Gea, den 100-Millionen-Euro-Einkauf Paul Pogba und Mittelstürmer Zlatan Ibrahimovic aufbot. Guardiola ließ den (weiterhin unauffälligen) Leroy Sané agieren und schonte mit Blick auf das nahende Champions-League-Duell mit dem FC Barcelona Torwart Bravo sowie die Mittelfeldspieler David Silva, Kevin De Bruyne und Ilkay Gündogan.

Das Resultat: Die ansonsten um die Erarbeitung von Torchancen nicht verlegene City-Elf kam zu keiner klaren Torchance. Guardiola kommt nun auf sechs Spiele ohne Sieg, die schlechteste Serie seiner Karriere. Gleichwohl zeigte er sich zufrieden, insbesondere mit der Leistung der 19-jährigen Pablo Maffeo oder Aleix García. "Ich bin stolz", sagte Guardiola in der Pressekonferenz, die Mourinho - aus guten Gründen - schwänzte.

Nach dem 0:4 beim FC Chelsea vom Sonntag hatten die Zeitungen Mourinho zerpflückt, dazu wurden - offenbar vorher - getätigte Interviewäußerungen bekannt, in denen sich Mourinho darüber beklagte, dass sein Leben in Manchester "ein kleines Desaster" sei. Das Problem? Die Familie lebt in London, wo die Kinder studieren, vor der 4,5-Sterne-Absteige, in der er eine Luxus-Suite bewohnt, harren die Paparazzi aus, was eine gute Werbung für das Hotel sei, ihm aber so auf den Zeiger gehe, dass er sich ungern in ein Restaurant bewege und stattdessen über Apps Essen auf Rädern bestellen müsse.

Er erzählte das zwar eher plaudernd; aber die Zeitungen mit den großen Buchstaben ließen sich die Vorlage natürlich nicht entgehen. The Sun veröffentlichte sogleich "Das geheime Tagebuch" Mourinhos, demzufolge das Leben im Hotel dann doch nicht so schlimm ist.

"7.30, mein Nachttischtelefon klingelt. Es war nicht mein erster Weckruf, seit ich in Manchester bin - man denke an Chelsea", lässt die Sun also Mourinho schreiben und gibt ebenfalls zum Besten, dass die "Dusche wie mein United-Team ist: groß, teuer, ohne Power und abwechselnd heiß und kalt". Vor allem aber freut er sich, dass United die größten Rechnungen übernehme. "Ein, zwei Extras muss ich allerdings selber zahlen, zum Beispiel das, äh, Pay-Per-View-TV, weshalb ich, wenn niemand schaut, runter zur Rezeption schleiche, um meine 'Chelsea-TV-Rechnung' zu begleichen. . ." Nach dem Sieg gegen den verhassten Nachbarn City dürften sich allerdings einige United-Fans finden, die ihm selbst das bezahlen.

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Quelle:
SZ vom 28.10.2016
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