Süddeutsche Zeitung

Krisenklub 1860 München:Bashas Traum wird wahr

Lesezeit: 3 min

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Als der jordanische Investor Hasan Ismaik einst nach München kam, um den TSV 1860 München zu begutachten, und wutentbrannt ausrief "We need a new sportchef!", wird selbst er dabei kaum an Noor Basha gedacht haben. Sein Cousin und Münchner Statthalter ist gelernter Pharmazeut. Und als Basha kürzlich eine Anstellung als "Sports and Business Manager" in der Profifußball-KGaA haben wollte, wurde ihm das Wort Sports kurzerhand aus der Stellenbeschreibung gestrichen. Doch nun, oh wundersamer TSV 1860, ist es so weit: Zwei Tage vor der Mitgliederversammlung gaben die Löwen bekannt, dass Basha neuer Sport-Geschäftsführer ist.

"Wir hoffen, bis Sonntag Ergebnisse präsentieren zu können", hatte das Übergangspräsidium mit Siegfried Schneider unter der Woche angesichts der nahenden Versammlung angekündigt, wohlwissend, dass eine weitere Zusammenarbeit mit Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner den Mitgliedern kaum zu vermitteln sein würde. Und ein Ergebnis gab es nun, allerdings ein überaus kurioses und eher noch weniger vermittelbares. Die Vereinsvertreter und Ismaik seien bei ihrem Treffen in Abu Dhabi Anfang der Woche "übereingekommen, dass Gerhard Poschner als Geschäftsführer der KGaA abberufen wird", was dem Wunsch der Vereinsvertreter entsprach, aber gleich durch zwei weitere Personalien konterkariert wurde.

"Gerhard Poschner führt seine Aufgaben als Sportdirektor fort", heißt es weiter, "des Weiteren haben die Gesellschafter gemeinsam beschlossen, Noor Basha als zweiten Geschäftsführer neben Markus Rejek zu ernennen und diese Ernennung baldmöglichst umzusetzen. Die beiden Geschäftsführer werden gemeinsam den Bereich Sport verantworten." Da Rejek den Bereich des Kaufmännischen Geschäftsführers seit jeher alleine verantwortet, ist er nun sozusagen eineinhalbfacher Geschäftsführer - und Basha ein halber.

Die Zusammenarbeit in der neuen Konstellation dürfte prima funktionieren: Basha, dessen größter Wunsch nun in Erfüllung geht, ist bekanntlich ein enger Vertrauter Poschners. Ein Problem ist dabei, dass Basha zudem auch in gleich zwei Kontrollgremien der KGaA sitzt: im Aufsichtsrat und im Beirat. Die insgesamt vier Beiratsmitglieder entscheiden über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern. Ein Beirat Basha könnte also die Entlassung eines Geschäftsführers Basha blockieren. Um der Form zu genügen, wird Basha seine Ämter in den Kontrollgremien wohl ruhen lassen, Ismaik für diese Positionen einen Nachfolger für Basha finden müssen.

Poschners neue Bewährungsfrist als Sportdirektor

Immerhin ist Bashas Arbeit ab sofort objektiv bewertbar. Er ist nun offiziell zuständig für den Bereich Sport. Sollte es wieder eine sportliche Trümmersaison geben, die fast im Abstieg mündet, so wäre er dafür verantwortlich. Poschner hingegen, das legt die Logik nahe, wird unter Garantie nur eine Bewährungsfrist als Sportdirektor erhalten. Ansonsten hätten die Vereinsvertreter die Abmachung wohl kaum unterzeichnet.

De facto ist bei Sechzig aber spätestens seit Freitag der Wunsch nach einer Begrenzung des Investoreneinflusses endgültig ad absurdum geführt. Aus Sorge davor, dass Ismaik von einem Kündigungsrecht seiner Darlehen Gebrauch machen könnte, hatten die Vereinsvertreter schon Poschner nicht entlassen. Bei Basha werden sie es sich noch weniger trauen. Im Kooperationsvertrag der Gesellschafter aus dem Jahr 2011, der der SZ vorliegt, - und den die Deutsche Fußball Liga (DFL) abgesegnet hat - heißt es auf Seite 30: "Sollte das Darlehen über den 31.12.2015 noch valutieren, so kann HAM (Ismaiks Firma) es mit einer Frist von drei Monaten zum 1.7. eines Jahres, erstmals mit Wirkung zum 1.7.2016, kündigen und Rückzahlung verlangen."

Auf diesen Passus nimmt die Pressemitteilung offenbar direkten Bezug: "Als Zeichen seiner weiteren finanziellen Unterstützung hat Hasan Ismaik bestätigt, dass sein zum Ende des Kalenderjahres fälliges Gesellschafterdarlehen verlängert werden wird", teilte der Klub mit. "Die Gesellschafter haben außerdem eine positive Diskussion über eine mögliche weitere finanzielle Unterstützung seitens Hasan Ismaik geführt."

Nachdem das zurückgetretene Präsidium um Gerhard Mayrhofer zuletzt versucht hatte, Ismaik mit einem Konfrontationskurs zum Anteilsverkauf zu bewegen, fährt das Übergangspräsidium mit Siegfried Schneider und Karl-Christian Bay einen anderen Kurs - nach dem Motto: Es geht nur mit oder ohne Hasan Ismaik, aber keinesfalls gegen ihn. Wirtschaftsprüfer Bay weiß ganz genau, was der Investor mit dem Verein anrichten könnte. Indirekt kann man der Mitteilung auch entnehmen, dass Hasan Ismaik nicht gewillt ist, zeitnah Zugänge zu ermöglichen: "Eines der wichtigsten Ergebnisse des Treffens ist die gemeinsame Erörterung und Genehmigung des Budgets der KGaA für die Saison 2015/2016 durch die beiden Gesellschafter. Diese soll auch dazu beitragen, weitere Spekulationen über Neuzugänge der Profimannschaft zu beenden", heißt es jedenfalls.

Die bisherigen Protagonisten hoffen bei der Mitgliederversammlung vor allem darauf, dass Bay in den neuen Verwaltungsrat gewählt wird. Denn er ist der entscheidende Verbindungsmann zu Hasan Ismaik und dessen Anwälten in München. Auch hält er Kontakt zu mittlerweile zwei Investorengruppen, die interessiert seien sollen, Ismaiks Anteile (60 Prozent, davon 49 Prozent stimmberechtigt) an Sechzigs Profifußballabteilung zu erwerben.

Ein merkwürdiger Kompromiss

Allerdings hat der Investor offenbar keine Lust, sich mit Eile zurückzuziehen: In der Mitteilung bestätigte Ismaik erstmals den Erhalt eines "weder nachhaltigen noch verbindlichen" Angebotes. Dies sei ihm allerdings "unaufgefordert" zugestellt worden, womit er die Version des zurückgetretenen Mayrhofer dementierte, der gesagt hatte, Ismaik habe ihn mehrfach darum gebeten, Käufer zu finden.

Dieser merkwürdige Kompromiss lässt vorerst nur eine Interpretation zu: Er wurde erstellt im Glauben daran, dass so alle Beteiligten ihr Gesicht wahren können.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2015
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