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Olympia:Man sollte auch an deutschen Athleten zweifeln

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Zu oft gab es auch in Deutschland Leistungsmanipulation, als dass man beim Thema Doping nur auf die anderen zeigen könnte. Warum sollte ausgerechnet eine der erfolgreichsten Nationen frei von Makel sein?

Kommentar von Johannes Aumüller, Pyeongchang

Es ist durchaus ein interessantes Duell gewesen auf den letzten Kilometern dieser Langlauf-Staffel der Männer am Sonntag. Hier Norwegen, dort Russland. Oder anders gesagt: Hier der Vertreter einer Mannschaft, die in irren Mengen Asthma-Mittel mit nach Pyeongchang gebracht hat. Dort der Läufer eines Teams, das zumindest in Teilen den Plänen eines Trainers folgt, der 2010 schon einmal für zwei Jahre wegen Dopings gesperrt worden war. Die Sportwelt hat es sich selbst zuzuschreiben, dass viele Erfolge Zweifel wecken. Und damit zum jubelnden Sportdeutschland.

Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, sagte am Wochenende, dass es wegen der Erfolge seines Teams einen "Generalverdacht" gebe, werde er "nicht akzeptieren". Man sei "sauber und hart kontrollierend unterwegs" - und im Übrigen nach Russland die am häufigsten getestete Nation.

Es ist nicht leicht zu glauben, dass in einem nachweislich dopingverseuchten Weltsport just eine der erfolgreichsten Nationen frei von jedem Makel sein sollte. Noch dazu, wenn es sich um ein Land mit Vergangenheit handelt. Einem, das vom Betrug in den Siebzigerjahren (Ost wie West) bis zum Telekom-Skandal im Profi-Radsport oft zu Gast war im Feld der flächendeckenden Leistungsmanipulation.

Ende 2013 gab es eine Studie der deutschen Sporthilfe-Stiftung. Darin gaben sechs Prozent der befragten Kaderathleten an, regelmäßig Dopingmittel zu nehmen. 40 Prozent beantworteten die Frage nicht. Es ist nicht anzunehmen, dass dies nur Sommersportler waren. Und auch nicht, dass alle, die damals "Ja" oder aus Furcht vor Entdeckung gar nichts ankreuzten, inzwischen mit Doping und/oder Spitzensport aufgehört haben.

Die Studie relativiert auch Hörmanns Argument bezüglich der vielen Kontrollen. Denn die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) überführt jährlich nur eine überschaubare Zahl an Sportlern; vielen Betrügern kann sie nichts nachweisen. Mal abgesehen davon, dass die Integrität des Testsystems seit Kurzem ohnehin verstärkt in der Kritik steht: Vor Olympia kamen bei Dopingproben viele Flaschen zum Einsatz, die relativ einfach hätten manipuliert werden können.

Natürlich gibt es im Spitzensport sauber errungene Siege. Aber weiter Zweifel zu hegen, das ist nicht gleich ein Generalverdacht, sondern eine Anerkennung der Realitäten. Zudem sollte es nicht so sein, dass dieser Zweifel nur norwegische Asthmatiker oder russische Athleten mit dubiosen Trainern exklusiv ins Ziel begleitet.

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Quelle:
SZ vom 19.02.2018
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