Süddeutsche Zeitung

Klopp-Abschied vom BVB:"Trösten kann dich in so einem Moment nichts"

Lesezeit: 3 min

Von Carsten Eberts, Berlin

Dann war er da: der Franz-Beckenbauer-Moment. Die meisten Spieler von Borussia Dortmund lagen trauernd nahe der Ersatzbank, doch Jürgen Klopp betrat ganz alleine den Rasen des Olympiastadions. Die gelbe Mütze hatte er tief ins Gesicht gezogen, der Trainer machte ein paar Schritte auf die Dortmunder Fans zu, sofort schwoll die Kulisse an. "Jürgen Klopp, Jürgen Klopp", schallte es ihm entgegen. Viele, ergreifende Sekunden lang. Der Trainer winkte einfach nur zurück. Wie Beckenbauer 1990 nach dem WM-Sieg in Rom.

Kurz darauf der nächste, unwirklich anmutende Moment. Die Siegerehrung stand an, die Angestellten des BVB holten sich einer nach dem anderen mit hängenden Köpfen ihre Silbermedaillen ab. Klopp kam als Letzter. Wieder dieses Getöse, dieser monströse Applaus. Nie war es an diesem Finalabend so laut, wie in jener Sekunde, als Klopp traurig am güldenen Pokal vorbeischritt.

Es war Klopps letztes Spiel für seinen BVB gewesen, dieses 1:3 im Finale des DFB-Pokals gegen den VfL Wolfsburg. Er hätte das Spiel am Samstagabend so gerne gewonnen zum Abschied, denn es stand lange fest, dass er danach gehen würde. Weg aus Dortmund, in eine ungewisse Zukunft. Trotzdem wusste im finalen Moment niemand, wie er sich verhalten sollte.

Auch Klopp nicht. Er wollte noch einmal jubelnd mit dem Lastwagen um den Borsigplatz fahren, hatte er gesagt. Nun war er ein Verlierer. Was sollte er tun? Cool bleiben, nicht zu viel von sich preisgeben? Oder die Emotionen einfach zulassen?

Klopp wurde später auf die Szene angesprochen, er allein auf dem Rasen. Ob der Applaus der Fans ihn getröstet habe? "Nein", sagte Klopp. Es ging ihm schlecht. Wunderschön sei der Applaus gewesen, doch: "Trösten kann dich in so einem Moment nichts."

Er war angefasst, die Stimme stockte. Wer konnte es ihm verdenken, nach sieben emotionalen, teilweise sehr erfolgreichen Jahren bei seinem Herzensklub. Nach einer enttäuschenden Saison, in der er als Trainer auch an seine Grenzen gestoßen war, hatte er sich für Veränderung entschieden. Die gelbe Mütze trug Klopp noch immer tief ins Gesicht gezogen, als er sagte: "Gerade eben habe ich festgestellt, dass der Abschiedsschmerz kommt." Und: "Er tut verdammt weh."

Was Klopp über das Spiel zu sagen hatte, war gar nicht so wichtig. Der BVB hatte früh geführt, durch einen Treffer von Pierre-Emerick Aubameyang, fing sich bis zur Halbzeit allerdings noch drei teilweise vermeidbare Tore. Ein weiterer Gegenschlag des BVB hätte das Spiel wieder kippen können, doch das Tor fiel nicht, trotz passabler Gelegenheiten. Klopp haderte ein bisschen, doch dann war er schon wieder bei sich selbst.

Klopp beschrieb, wie er nach der Partie in der Kabine seine Spieler umarmte, sich verabschiedete. Ein schweres Unterfangen, es waren schließlich Männer darunter, die all die sieben Jahre mit ihm verbracht hatten, durch alle Hochs und Tiefs gegangen waren. "Ich habe jedem Danke gesagt", erzählte Klopp mit karger Stimme, "und es fiel mir verdammt schwer, jeden einzelnen wieder loszulassen."

Im Interview in der ARD sagte er: "Jedes Mal, wenn ich einen meinen Spieler umarme und denke, dass das vielleicht das letzte Mal war, kommen sofort die Tränen. Es ist eine wunderschöne Geschichte, die zu Ende geht. Aber ich muss Dinge nacheinander verarbeiten. Und diese Sache würde ich gerne verarbeiten, wenn die Kameras aus sind."

Seinen Spielern bereitete der Misserfolg zum Abschluss ebenfalls Kummer. "Wir wollten dem Trainer einen tollen Abschied bereiten", erklärte der Pole Jakub Blaszczykowski, "leider ist uns das nicht gelungen." Fußball sei "kein Wunschkonzert", pflichtete ihm Sebastian Kehl bei, für den es ebenfalls das letzte Spiel für Dortmund war, sogar das letzte seiner Karriere. Alle wollten Klopp den Pokal schenken, noch einmal mit ihm um den Borsigplatz fahren - es hat nicht geklappt.

Und so sprach Klopp in seiner Verbitterung schließlich über seinen Nachfolger: über Thomas Tuchel. Immerhin für ihn sei das ein gutes Ergebnis, versuchte Klopp zu scherzen: "Die Messlatte liegt nicht besonders hoch. Es kann hier einfach weitergehen." Wenn Tuchel seinen ersten Titel mit dem BVB holt, frühestens im Frühjahr 2016, kann Klopp sicher mit einem kräftigen Klopp-Lachen auf seine geile Zeit als Chefborusse zurückblicken.

An diesem Abend konnte er das noch nicht. Der Schmerz saß zu tief.

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