Süddeutsche Zeitung

Kimmich und Goretzka:Mit gutem Beispiel voran

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Von Benedikt Warmbrunn, München

Den ersten Beweis, dass er mit gutem Beispiel vorangeht, trägt Leon Goretzka im Gesicht. Am Freitagvormittag veröffentlicht er auf Instagram ein kurzes Video, nur er selbst ist zu sehen, weißes T-Shirt, Kette um den Hals, und sein Gesicht hat diese leichte Rötung, wie sie womöglich zurzeit viele Münchner haben, die in den vergangenen Tagen zu Hause geblieben sind und zugleich über das Glück einer Dachterrasse verfügen. (Goretzka selbst hat so einen Sonnenplatz, auch das hatte er Anfang der Woche auf Instagram nachgewiesen.) Den zweiten Beweis, dass er mit gutem Beispiel vorangeht, reicht Goretzka mit seinen Worten nach, die er in seine Handykamera spricht.

Goretzka verkündet, dass er gemeinsam mit Joshua Kimmich, seinem Mitspieler beim FC Bayern München und in der deutschen Nationalmannschaft, eine Spendenaktion gegründet habe, um während der Corona-Krise soziale und karitative Einrichtungen zu unterstützen. (Kimmich filmte sich für seine Follower ebenfalls vorbildlich in der eigenen Wohnung, ohne Dachterrassenbräune.) Bei "We kick Corona" können sich Einrichtungen auf Spendengelder bewerben, Spender können die Initiative ebenfalls unterstützen - Kimmich und Goretzka machten den Anfang mit einer Summe in Höhe von einer Million Euro. Unterstützt werden in erster Linie gemeinnützige Vereine, aber auch andere sozial orientierte Initiativen, denen durch die Corona-Krise Einnahmen entgehen.

Goretzka spricht in seinem Video erst einmal - "weil man es in der aktuellen Situation nicht oft genug machen kann" - ein "riesengroßes Dankeschön" an alle aus, "die aktuell in sozialen Vereinen, sozialen Einrichtungen, Arztpraxen oder Krankenhäusern alles dafür geben, um diese Situation zu meistern. Was ihr leistet, ist wirklich Wahnsinn!" Kimmich und er hätten gemeinsam überlegt, was sie unternehmen könnten, um in der gegenwärtigen Situation zu helfen - so kamen sie auf die Idee mit ihrer eigenen Spendeninitiative. Auf der Webseite ihrer Aktion teilen die beiden mit, dass sie denen helfen wollen, "die anderen helfen, und unseren Beitrag dazu leisten, dass unsere Gesellschaft auch nach der Krise so vielfältig und stark ist wie vorher".

Die beiden 25-Jährigen waren in dieser Woche schon einmal an einer Spendenaktion beteiligt; gemeinsam mit ihren Kollegen aus der DFB-Elf hatten sie insgesamt 2,5 Millionen Euro für soziale Zwecke zur Verfügung gestellt. Dass gerade Goretzka und Kimmich nun noch mehr helfen wollen, dass sie weiter vorangehen wollen, passt auch zu ihrer persönlichen Entwicklung. In den vergangenen Jahren sind sie zu neuen Leitfiguren im deutschen Fußball herangereift.

Kimmich hat sich vor allem in sportlichen Fragen als neuer Klassensprecher hervorgetan, er hat sich nie gescheut, seine Meinung mitzuteilen, auch dann nicht, wenn sie eine andere war als die von Uli Hoeneß oder Bundestrainer Joachim Löw. Mit gesellschaftlichem Engagement war er lange zurückhaltend, doch auch in diesen Fragen ist er in den vergangenen Monaten mutiger geworden. Ende März zum Beispiel, vor dem Auswärtsspiel beim FC Chelsea, äußerte er sich entschieden gegen Rassismus und für mehr gesellschaftliche Toleranz. Schon länger hatte er zudem darüber nachgedacht, eine Stiftung zu gründen, gesprochen hatte er darüber auch immer wieder mit Goretzka - in den vergangenen Tagen stand der Entschluss, jetzt so eine Initiative zu starten. Goretzka setzt sich für gesellschaftliche Themen schon länger ein, er positioniert sich regelmäßig gegen Ausgrenzung und Diskriminierung, er macht sich Gedanken über die deutsche Geschichte, vor wenigen Wochen bei einem Besuch im KZ Dachau. Kimmich und Goretzka widersprechen also schon länger dem gängigen und doch oft zutreffenden Klischee des uninteressierten Fußballprofis, der die eigene Blasenwelt nie verlässt.

In der Corona-Krise setzen auch andere Fußballer ein Zeichen, Mönchengladbachs Spieler verzichten auf ihr Gehalt, um ihrem Verein zu helfen; genauso auch Rafal Gikiewicz vom 1. FC Union Berlin an. Goretzka sagt, Kimmich und er hofften "natürlich, dass viele von euch dem Beispiel folgen werden" - am Freitagabend erklärte Mats Hummels, dass er "selbstverständlich am Start sei": Er appellierte auch an andere Fußballer vorzuleben, "wie wir Solidarität verstehen". Sein Video beendet Goretzka übrigens mit dem optimistischen Gruß: "Bis dahin: Bleibt zu Hause, bleibt gesund - und dann sehen wir uns hoffentlich bald wieder."

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Quelle:
SZ vom 21.03.2020
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