Süddeutsche Zeitung

Jahreshauptversammlung des FC Bayern:FC Hollywood ist passé

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Von Claudio Catuogno

Kommt er oder kommt er nicht? Schleicht er inkognito in die Halle, trägt sich in die Rednerliste ein, hört sich dann den Bericht des 2. Vizepräsidenten an ("Tischtennisabteilung platzt aus allen Nähten"), beklatscht die Rekordzahlen (23,8 Millionen Euro Gewinn), wartet dann still bis zum Tagesordnungspunkt "Sonstiges" - um schließlich das Podium zu besteigen? Gerade noch in der Haftanstalt, jetzt schon wieder auf der Showbühne?

Dem Vernehmen nach hat sich Uli Hoeneß gewundert über die Spekulationen, er könne den Umstand, dass er nur noch von Montag bis Donnerstag im Gefängnis schlafen muss, nutzen, um am Freitagabend erstmals wieder öffentlich aufzutreten - bei der Mitgliederversammlung seines FC Bayern. Das wäre ja schon deshalb unklug gewesen, weil Hoeneß' Anwälte kürzlich beantragt haben, dem ehemaligen Bayern-Präsidenten die Hälfte seiner Strafe zu erlassen. Hoeneß käme dann schon im kommenden Frühjahr frei; und da ist jetzt zwingend noch ein bisschen Demut angesagt.

"Das war's noch nicht" - das waren Hoeneß' Worte bei seinem bisher letzten Auftritt bei der roten Familie, im Mai 2014. Was das genau für die Zukunft bedeutet, bleibt offen. Denn Hoeneß kam nicht. (Ebenso wenig übrigens wie der Trainer Pep Guardiola, der aus privaten Gründen nach Spanien geflogen war. Und auch die Mannschaft war nicht da.)

Und so musste die jährliche Versammlung des FC Bayern zum zweiten Mal in Serie ohne den Mister Bayern auskommen. Und damit ohne größere Pointen und Emotionen, wenn man mal davon absieht, dass in Einspielfilmchen wieder viel gejubelt und gefeiert wurde, meistens in Zeitlupe. "Wir wollen keine große Show abziehen" - das war die Ansage des Vorstandschefs Karl-Heinz Rummenigge. Und es gab ja auch keine Nachricht öffentlichkeitswirksam für die Fans zu inszenieren. Keine spektakuläre Vertragsverlängerung, sei es nun mit Jérôme Boateng oder gar mit Guardiola. Es gab lediglich wieder eine "sehr gute Saison" zu bilanzieren und, so Rummenigge, "ein harmonisches, ruhiges, sympathisches Auftreten, das uns gut zu Gesicht steht".

Aussagen, an die man sich erinnern wird? Vielleicht diese: "Schlagzeilen werden auf dem Platz geschrieben, die Zeiten des FC Hollywood sind passé - und ich finde das auch gut so." Sagte Rummenigge.

Mitgliederversammlungen sind immer ein Spagat zwischen Turnhallenmief und Allianz Arena. Da berichtet der Vizepräsident Dieter Mayer aus den Amateurabteilungen. Vier Kegelmannschaften in den neu eingeteilten Spielklassen etabliert! Deutsche Meisterschaft im Blitzschach der Frauen! Da berichtet der Präsident Karl Hopfner über ein Online-Voting zu der Frage, welches Motiv auf den Mitgliedsausweis gedruckt wird. Immerhin: auf 270 329 Ausweise; der FC Bayern ist ja der größte Sportverein der Welt.

Und dann geht es auf der anderen Seite in Rummenigges Bericht um große Namen. Um den nach Manchester gewechselten Bastian Schweinsteiger ("ist als großer Freund gegangen"). Um Franz Beckenbauer ("beim DFB täte man gut daran, Franz respektvoller und fairer zu behandeln"). Und, klar, um Hoeneß, der als Freigänger gerade in der Jugendabteilung der Bayern wirkt ("ganz wichtiges Engagement"). Und es geht, das hat schon Tradition, um Rekordzahlen. Neben dem Rekordgewinn (sieben Millionen Euro mehr als im Vorjahr) gab es erstmals ein operatives Ergebnis von mehr als 100 Millionen Euro. Und der Umsatz (523,7 Millionen) lag auch nur deshalb minimal unter dem des Vorjahres, weil diesmal Erlöse aus Klub-WM und DFB-Pokalfinale fehlten.

Rummenigge kündigte "Vollgas" beim Merchandising an - vom Hocker reißt das erst mal keinen. Und auch die sehr deutliche Forderung an die Deutsche Fußball- Liga, endlich für Wettbewerb bei den TV-Rechten zu sorgen und damit für höhere Einnahmen: eine klare politische Botschaft. Aber auch nicht so ein Herzensthema für die versammelten Mitglieder.

Dass der Aufsichtsrat der Bayern-AG unverändert bleibt, hatte der Klub schon vorab mitgeteilt. Das war zu erwarten gewesen - allenfalls ist bemerkenswert, dass auch der als VW-Chef im Rahmen der Diesel-Affäre zurückgetretene Martin Winterkorn weiter mit dabei ist. Wer im richtigen Leben in der Krise ist, den lässt dieser FC Bayern schon aus Prinzip nicht fallen. Siehe Hoeneß. Siehe Beckenbauer.

Was aber schon auffiel: Eine Hauptfigur der Bayern-Seligkeit erwähnte Rummenigge in seiner Rede nicht: Guardiola, der sich bekanntlich noch nicht zu seiner Zukunft geäußert hat. Rummenigge erwähnte ihn wirklich mit keinem Wort.

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SZ vom 28.11.2015
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