Süddeutsche Zeitung

Coronavirus in Italien:Die Serie A sucht nach einem würdigen Abschluss

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Saison abbrechen? Klassement einfrieren? Im Sommer weitermachen? Playoffs für den Titel? Italien debattiert, wie die Fußballsaison zu einem Ende zu führen ist. Dabei gibt es eigentlich nur eine Option.

Kommentar von Oliver Meiler, Rom

Italien ist gerade immer einen Schritt voraus, bei allem, notgedrungen - auch in den tragischen Kategorien. Kein Land Europas ist stärker getroffen von der Wucht des Coronavirus. Es trägt nicht nur viele Menschenleben weg, sondern auch eine Menge sicher gewähnter Gewissheiten. Italien reagiert auch am heftigsten auf die Pandemie und dient nun, mit Verzögerung, vielen Ländern rundherum als Blaupause im Kampf gegen die Ausbreitung des Erregers.

Die Schließung der Schulen? Passierte hier schon vor zwei Wochen, jetzt ist fast alles dicht. Der Fußball? Die Serie A setzte Anfang der Woche aus - nicht früh genug und beileibe nicht in Harmonie. Die Spieler hätten eher aufhören wollen, der Sportminister auch. Doch einige Großklubs legten sich quer, jeder mit seinem eigenen kleinen Kalkül. Am Ende brauchte es ein Machtwort von oben, vom Premier, und ein Dekret der Regierung.

Die Lieblingsoption der Klubbesitzer

Es mag grotesk klingen, auch ein bisschen verwegen: Obschon niemand auch nur einen Hauch Ahnung hat, wie man aus dieser Krise finden wird und wann es vorbei ist, werden alle möglichen Szenarien für ein passendes Saisonende gezeichnet. Das mag auch daran liegen, dass nun die meisten Italiener zu Hause sind und sich langweilen. Selbst die TV-Großexperten schalten sich via Skype vom Sofa aus ihrem Wohnzimmer zu, Leute wie Paolo Condò von Sky Sport, früher Chefredakteur der Gazzetta dello Sport. Im Hintergrund, auf festgeschraubten Regalen, sieht man die Bücher, die er liest, wenn er sich mal nicht mit Calcio beschäftigt.

Nun, zur Debatte stehen vier Optionen. Option eins: Die Saison endet sofort, zwölf Spieltage vor Schluss, nichts wird nachgeholt, niemand wird Meister, die europäischen Plätze werden nach der letzten Platzierung vergeben. Option zwei: Die Meisterschaft ist vorbei, das Klassement wird eingefroren, Juventus ist Meister, zum neunten Mal in Serie. Offenbar wollen aber nicht einmal die Turiner selbst einen "Scudetto di cartone", wie man sagt, ein Meisterabzeichen aus Karton.

Option drei ist die Sommervariante: Würde die Europameisterschaft abgesagt, wovon alle ausgehen, und wäre die Krise bis Mai überstanden (was wohl weit weniger sicher ist), könnte die Saison vielleicht fertig gespielt werden - mit straff getaktetem Spielplan, alle drei Tage eine Runde. Bis Ende Juni müsste man jedoch durch sein, weil dann die Profiverträge auslaufen. Das ist die Lieblingsoption der Klubbesitzer, sie könnten so ihre Verpflichtungen gegenüber den Bezahlsendern erfüllen. Das ist deshalb wichtig, weil die Millionen für die TV-Rechte schon lange verprasst sind. Man liest nun überall, den Vereinen drohe sonst die Pleite.

Und dann gibt es noch Option vier, die so revolutionär wäre für den nicht sehr experimentierfreudigen Calcio, dass man sie mit höchster Skepsis diskutiert: Playoff für den Titel, Playout gegen den Abstieg. Die letzten vier (oder fünf oder sechs) Teams machen zwei Absteiger untereinander aus. Was mit den Aufsteigern aus der Serie B wäre, darüber redet noch keiner. Für die Vergabe des Meistertitels gäbe es zwei Halbfinals: Juventus Turin (1.) gegen Atalanta Bergamo (4.), und Lazio Rom (2.) gegen Inter Mailand (3.), mit Hin- und Rückspiel. Debattiert wird auch, ob bei einem Remis ein Elfmeterschießen entscheiden würde über das Weiterkommen, oder ob es eine dritte Begegnung gibt, ein Entscheidungsspiel wie weiland, weil ja doch viel auf dem Spiel stehe. Die Sieger würden sich dann in einem Finale messen. Aber soll das Endspiel "secco" sein, trocken, wie die Italiener sagen, ein einziges Duell? Oder soll auch da zwei Mal gespielt werden?

Spielen - dem Verb wohnt eine Leichtigkeit inne, die aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Eine Frivolität auch, nahe an der Pietätlosigkeit. Darum: Option eins!

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SZ vom 14.03.2020
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