Süddeutsche Zeitung

Pyro-Einlage beim HSV:Feuer frei vor der Tribüne

Lesezeit: 3 min

Von Johannes Aumüller

Es ist eine ungewöhnliche Aktion, die am Samstag vor dem Zweitliga-Spiel des Hamburger SV gegen den Karlsruher SC ansteht. Eine kontrollierte Pyro-Einlage soll es dann geben, erlaubt von den lokalen Behörden und vom Deutschen Fußball-Bund (DFB). Zwischen der Tribüne und dem Spielfeld werden zum Einlaufen der Mannschaften zehn Fans zehn sogenannte Rauchtöpfe entzünden, eine Fachfirma wird das begleiten, die Feuerlöscher werden für alle Fälle bereitstehen, und dann soll ganz legaler Nebel aufsteigen.

Es ist ein Test im Kontext des ewigen Pyro-Problems. Es ist aber die Frage, ob so eine Aktion auch wirklich etwas bewirken kann gegen das ewige Pyro-Problem.

Schon seit Jahren bekommen der Verband, die Liga und die Vereine die Auswüchse der Pyrotechnik in den Kurven nicht in den Griff. Pyro ist wegen seiner Gefährlichkeit und zum Schutz der Zuschauer zwar verboten, aber für manche Ultra-Fangruppierungen gehört der Einsatz zur Fußballkultur dazu. Jedes Wochenende sind daher in den Kurven bengalische Feuer zu sehen, deren Flammen bis zu 2000 Grad heiß werden können, manchmal kommen dazu noch Böller, und in extremen Fällen fliegen sogar Leuchtraketen in Richtung Spielfeld oder des gegnerischen Fan-Blocks.

Ist Pyrotechnik nun Fankultur oder nicht?

Die Situation zwischen den Fußball-Vertretern und dieser Fan-Fraktion ist verfahren - und hat eine längere Vorgeschichte. 2011 endete ein Runder Tisch mit 55 verschiedenen Ultra-Gruppierungen ergebnislos. Letzteren war es damals um einen legalen Einsatz von Pyro-Technik gegangen. "Das Scheitern hat zu einer Radikalisierung beigetragen und gefühlt zu einem mehr an Pyrotechnik geführt", sagt der Hannoveraner Politologe Jonas Gabler, der sich auf Forschung zu den Fanszenen spezialisiert hat.

In der Folge gab es schärfere Einlasskontrollen und mehr Sanktionen: gegen einzelne Täter, wobei die aufgrund der benutzten Vermummungen selten genug zu ermitteln sind - und gegen die Vereine gab es hohe Geldstrafen durch das Sportgericht. Doch jüngst räumte dessen Chef Hans E. Lorenz selbst ein, "dass wir durch diese Urteile die Missstände nicht beseitigen können".

Der HSV, bei dem es besonders häufig zu Pyro-Vorfällen kommt, positionierte sich vor zirka einem Jahr in dieser Frage neu. Er wolle Pyro jetzt als Teil der Fankultur akzeptieren und mehr in den Dialog gehen. Dazu gehörte auch der Wunsch nach einem kontrollierten Pyro-Einsatz, den der DFB nach langem Widerstand nun erlaubte. Der Verband betont zwar, dass die Verantwortung in Hamburg liege und dass es sich um eine einmalige Ausnahmegenehmigung handele. Aber schon melden sich Vertreter anderer Klubs zu Wort, die sich in ihren Stadien etwas Ähnliches vorstellen können.

Aber kann so etwas wirklich helfen gegen die Zündeleien in den Blöcken? Der HSV-Fanbeauftragte Cornelius Göbel sagt, man sei zwar nicht so "naiv zu glauben, dass Ultras aufgrund dieser Aktion das Abbrennen von bislang verwendeten pyrotechnischen Mitteln sofort unterlassen". Aber es sei wichtig, um den Austausch voranzutreiben. Und für Pyro-Aktionen im Zuschauerblock gelte weiterhin eine Null-Toleranz-Politik. Auch der Politologe Gabler argumentiert in diese Richtung. "Das hat eine starke symbolische Wirkung", sagt er: "Ich glaube nicht, dass die Ultraszenen deswegen aufhören, illegal Pyro-Technik abzubrennen. Aber es macht den Raum auf für Gespräche und Kompromisse."

Bei vielen anderen Vereinen ist die Skepsis groß - etwa bei Eintracht Frankfurt, wo es auch recht oft zu Vorfällen kommt. "Wir bauen mal einen Sandkasten, sperren eine Ecke ab und stellen einen Sicherheitsbeauftragten dahin, und dann darf man irgendwie was abbrennen: Ich weiß nicht, ob die Kurve da sagt, das ist eine Alternative", sagte Präsident Peter Fischer dem Deutschlandfunk. Ähnlich sieht es Borussia Mönchengladbach.

"Eine kontrollierte Pyroaktion, bei der ein zugelassener Pyrotechniker und ein Feuerwehrmann als Begleitung dabeistehen, ist nicht das Bild, das sich die Leute vorstellen, die sonst Pyrotechnik abbrennen", sagt ein Sprecher. Man bekäme aus der Fanszene vielmehr gespiegelt, "dass ein erlaubter Einsatz der sogenannten kalten Pyrotechnik etwas ist, was die Ultras als Kompromiss mitgehen würden. Aber das sehen wir als Verein nicht als Lösung."

Denn diese kalte Pyrotechnik, die etwa in Dänemark testweise schon mal im Stadion zugelassen war, ist immer noch ziemlich heiß: immerhin noch 200 statt der üblichen 2000 Grad. Liga-Boss Christian Seifert sagte dazu kürzlich der Bild, kalte Pyrotechnik gebe es ebenso wenig wie "veganen Schweinebraten". Dass ihr Einsatz erlaubt wird, erscheint derzeit also eher nicht als realistische Option. Aber bis vor Kurzem erschienen auch kontrollierte Pyro-Aktionen vor dem Spiel nicht als realistisch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4788013
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.