Süddeutsche Zeitung

Hertha verliert gegen Mainz:Pfiffe, als es um Fußball geht

Lesezeit: 2 min

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Ende schmunzelte Jürgen Klinsmann, der Trainer von Hertha BSC. Trotz der 1:3-Niederlage seiner Mannschaft gegen Mainz 05, die sich als Rückschritt kategorisieren ließ. Er war noch auf dem Weg aus der Kabine zu einem TV-Sender, um eine Analyse zum Besten zu geben, als er Robin Quaison entdeckte. Oder genauer: Als Klinsmann sah, dass der schwedische Torjäger den Spielball unter dem halblangen Winterdaunenmantel versteckt hatte und deshalb so aussah, als habe er einen Höcker auf dem Rücken. Die Engländer hatten mal die Sitte, dem Schützen eines Hattricks den Ball als Andenken zu übereignen, sie schwappte über den Ärmelkanal und wird auch in der Bundesliga respektiert.

So auch am Samstag in Berlin: Denn Quaison hatte gegen die Hertha drei Mal getroffen, in der 17. und 82. Minute, schließlich auch in der Nachspielzeit per Foulelfmeter. Da hatten die ersten Anhänger des selbst ernannten Big City Clubs das Olympiastadion enttäuscht verlassen. Trotz des zwischenzeitlichen Anschlusstreffers, der dem Mainzer Abwehrspieler Jeffrey Bruma zugeschrieben werden musste, weil er einen Kopfball von Herthas Dedryck Boyata ins eigene Tor abgefälscht hatte (84.).

Herthas Mannschaft hatte intensive Tage hinter sich.

"Enttäuschend, aber auch ein bisschen nachvollziehbar" nannte Klinsmann die Hertha-Pleite, und das war auch der Grund dafür, dass er dem Team zwei Tage frei gab. Seine Mannschaft habe intensive und hektische Tage hinter sich, und es war eigentlich nicht nötig, zu betonen, dass es keine Ausrede sein sollte. Es gab öffentlich manifestierte Unzufriedenheit von bewährten Kaderkräften (Kalou, Stark, Maier), sündhaft teure Einkäufe (Piatek, Mateus Cunha). Dann folgten 120 Minuten Pokalkampf in Gelsenkirchen, die in einen brutalen K.-o. mündeten (2:3 nach 2:0-Führung); und am Ende auch noch eine Debatte um die rassistischen Schmähungen gegen Hertha-Verteidiger Jordan Torunarigha, die bis ins Wochenende strahlte.

Hertha nahm den Fall zum Anlass für eine Antirassismus-Kampagne, die Spieler malten sich, je nach Hautfarbe, einen weißen oder schwarzen Strich auf die Wange, um gegen rassistische Diskriminierung zu protestieren, die Ostkurve nannte Torunarigha "einen von uns" und gelobten, "gemeinsam gegen Rassisten" zu kämpfen, "notfalls mit Getränkekisten" - eine Anspielung auf die Szene, bei der Torunarigha auf Schalke vom Platz gestellt worden war. Doch als es nur noch um Fußball ging, gab es Pfiffe von den Rängen. Am Ende der Partie, aber auch schon zur Halbzeit, als die Mainzer erst 1:0 vorn lagen.

In der Halbzeit drückte Klinsmann auf die Reset-Taste

Die erste Hälfte zählte aus Berliner Sicht zu den bedrückendsten Vorstellungen der letzten Monate. Hertha brachte außer einem Kopfball von Niklas Stark (nach einer Ecke) keine Chance zuwege, Mainz schlug durch Quaison zu: Der Schwede tanzte nach einem Pass von Levin Öztunali seinen Bewacher Stark aus - und überwand auch Herthas Torwart Rune Jarstein ohne größere Schwierigkeiten.

Die Halbzeitpause nahm Klinsmann zum Anlass, die Reset-Taste zu drücken. Er brachte die Flügelspieler Javairo Dilrosun und Dodi Lukebakio, von denen aber nur letzterer den Eindruck vermittelte, das Spiel wirklich revolutionieren zu wollen. Doch schnell erlosch auch sein Feuer. Stattdessen legte Mainz durch Quaison nach, weil Torunarigha sich an der Grundlinie vom eingewechselten Onisiwo übertölpeln ließ. Nach dem Platzverweis für Marius Wolf fiel noch in der Nachspielzeit per Elfmeter das 3:1. "Wir sind richtig froh, dass wir diese drei Punkte einfahren konnten", sagte der Mainzer Trainer Achim Beierlorzer: "Die Mannschaft hat alles investiert, alles reingeschmissen. Die drei Punkte tun uns wahnsinnig gut."

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SZ vom 09.02.2020
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