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Hannover 96 vor dem Spiel in Fürth:Zu satt zum Siegen

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Wenig Teamgeist, taktischer Stillstand, mäßige Fitness: Die Spannungen zwischen Trainer und Manager sind nicht der einzige Grund für die Stagnation von Hannover 96. Im Klub scheint mittlerweile auch Coach Mirko Slomka nicht mehr unumstritten - selbst ein baldiger Abschied ist denkbar.

Von Jörg Marwedel, Hannover

Als Trainer Mirko Slomka erfuhr, dass Dirk Dufner, 45, sein neuer Partner als Sportdirektor bei Hannover 96 wird, hat er ihn gleich zu sich nach Hause eingeladen. Ein bisschen reden über die Zukunft, aber womöglich auch über die Gründe, weshalb Hannover 96 nach zwei herausragenden Jahren inklusive Europa League eine der größten Enttäuschungen wurde.

Vielleicht haben sie auch über Dufners Vorgänger Jörg Schmadtke gesprochen, zu dem Slomka angeblich einen guten Draht besaß - das hat er öffentlich zur Überraschung nicht nur des Präsidenten Martin Kind mehrmals mitgeteilt. Tatsächlich war dieser Draht eher lose und der Hauptgrund für Schmadtkes Abgang. Zudem gab es weitere Ursachen für die mittelmäßige Saison. Platz elf vor dem Spiel beim Tabellenletzten SpVgg Greuther Fürth am Freitagabend belegt dies auch statistisch.

Dennoch könnte wegen des gespannten Verhältnisses zwischen den beiden das einst verschworene Team in Slomka-Befürworter und Schmadtke-Anhänger gespalten gewesen sein. So behaupten es manche Beobachter. Auch Mittelfeldspieler Sergio da Silva Pinto dürfte es kürzlich gemeint haben, als er sagte: "Wir erreichen unsere Ziele nur zusammen, das scheint im Moment nicht so zu sein."

Slomka selbst stellte in der Winterpause eine gewisse "Sattheit" beim Team fest, weshalb schon im Januar vier neue Profis verpflichtet wurden. Auch die Ausfälle der Mittelfeldmotoren Leon Andreasen, Lars Stindl und Szabolcz Huszti haben geschmerzt.

Man könnte es sich leicht machen und sagen: Wenn eine Mannschaft in zwei Jahren 100 Pflichtspiele bestritten hat wie 96, ist eine kleine Leistungsdelle normal. Es sind ja schon Uefa-Cup-Teilnehmer abgestiegen, weil sie mit der europäischen Zusatzbelastung nicht klarkamen.

Der Unterschied ist, dass 96 selbst nach Ausfällen inzwischen Nationalspieler auf der Bank sitzen hat. Dass Slomka Spieler auf die Bank setzen muss, die früher kaum um ihren Stammplatz fürchten mussten, hat ihm schon zu seiner Zeit bei Schalke 04 erhebliche interne Klima-Probleme bereitet.

Taktisch hat er die Mannschaft nicht weiterentwickelt. Vergangene Saison gab es noch Ansätze, nicht mehr wie im ersten Erfolgsjahr allein mit reinem Konterfußball und 35 Prozent Ballbesitz zu gewinnen, sondern das Spiel auch optisch stärker zu dominieren. Inzwischen wirkt 96 selbst in der eigenen Arena wieder wie eine vorsichtige Auswärtsmannschaft.

Obwohl Slomka mit Mame Diouf, Didier Ya Konan, Mohammed Abdellaoue, Jan Schlaudraff und Artur Sobiech eine stattliche Anzahl überdurchschnittlicher Stürmer hat, lässt er weiter nur mit einer echten Angriffsspitze, nämlich Diouf, spielen.

Die Tatsache, dass die einst so fitten Hannoveraner jetzt meist die Partie verlieren, wenn sie in Rückstand geraten und dass es tragenden Spielern wie da Silva oder Kreativdirektor Schlaudraff mittlerweile an Kraft mangelt, könnte aber noch andere Gründe haben als die 100 Pflichtspiele.

Slomka-kritische Profis führen das auch darauf zurück, dass der Cheftrainer Assistent Norbert Düwel, der in den zwei Jahren zuvor für die Fitness zuständig war, diesen Bereich entzogen hat. Deshalb verlässt Düwel den Klub auch im Juni.

Inzwischen pfeifen nicht nur die Fans auf den teuren Tribünen immer häufiger. Auch der einst in Hannover so populäre Slomka (Vertrag bis 2016) ist nicht mehr unumstritten. Der ehemalige Kapitän Hans Siemensmeyer sagte bei einer Veranstaltung der Neuen Presse, er sei "nicht direkt" für einen Trainerwechsel: "Aber man könnte mal die Überlegung anstellen."

Auch Präsident Kind hat nach dem 1:6 gegen den FC Bayern den Leistungsabfall kommentiert: "So viel Leistungsstabilität war in der Rückrunde nicht zu sehen", sagte er, das müsse man "sehr kritisch und auch selbstkritisch analysieren". Dass Slomka nicht eingebunden wurde bei der Suche nach dem neuen Sportdirektor, kann auch nicht gerade als Vertrauensbeweis gewertet werden.

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Quelle:
SZ vom 26.04.2013
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