Süddeutsche Zeitung

Handball:Torwart Wolff: "Ich wurde verlacht"

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Das Gesicht der deutschen Handballer spricht im SZ-Interview über die Olympia-Ambitionen des Teams und erklärt, welche Chancen er gegen Ronaldo hätte.

Von Klaus Hoeltzenbein und Joachim Mölter

Handball-Nationaltorhüter Andreas Wolff hält nach dem überraschenden Gewinn des Europameister-Titels im Januar auch den Olympiasieg im Sommer in Rio für möglich. "Eine EM ist das Turnier mit der höchsten Leistungsdichte im Handball, also gehe ich davon aus, dass man Olympia in Rio auch gewinnen kann", sagte der 25-Jährige im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Dass er vor der EM in Polen nicht ernst genommen wurde, als er über seine Karriere-Ziele sprach - Europameister, Weltmeister, Olympiasieger, Welthandballer -, stört ihn nicht. "Sagen wir es offen: Ich wurde verlacht", gibt der als besonders ehrgeizig geltende Wolff zu und zieht einen Vergleich zu einer anderen Sportart: "Wenn du Hochspringer bist, hast du ja auch nicht das Ziel, über 1,40 zu springen, wenn du weißt, du kannst das. Du sagst: Ich will über 1,80. Dann trainierst du für 1,80, und wenn du drüber bist, sagst du: Ich will über 2,10 Meter."

Wolff verriet in dem Gespräch außerdem, dass sich die Handballer auf ihrem Weg zum EM-Sieg auch von Basketballern motivieren ließen - nämlich durch eine Dokumentation über das frühere NBA-Meisterteam der Detroit Pistons. Von denen übernahmen sie vor allem den Spitznamen "Bad Boys": "Wir spielen hart, aber trotzdem fair. Und dadurch, dass wir alle so Milchbubis sind, ist das eher eine ironische Bezeichnung", erklärt Wolff. Die deutsche Mannschaft war ja die jüngste des Turniers, erinnert er: "Unsere Spieler sahen alle so aus, als ob sie gerade der Jugend entwachsen wären." Dabei denkt er vor allem an die Mitspieler Rune Dahmke, 22 ("er sieht aus wie aus dem Kirchenchor, wie ein Messdiener"), und Finn Lemke, 23: "Außerhalb des Spielfelds ein ganz feiner Junge, aber auf dem Spielfeld wird er zum Tyrannosaurus Rex."

Kevin Trapp wird nun mit ihm verglichen

Als Auszeichnung empfand es der Schlussmann des Bundesligisten HSG Wetzlar, der im EM-Finale gegen Spanien eine herausragende Rolle gespielt hatte, dass danach sogar Fußball-Kollegen wie Kevin Trapp von Paris St. Germain mit ihm verglichen wurden. "Das ist 'ne Ehre, oder? Wenn man so was liest: Der Andreas Wolff des Fußballs! Damit war vor wenigen Wochen doch nicht zu rechnen." Dabei, so gibt Wolff zu, müssten die Fußball-Torleute ein viel größeres Repertoire beherrschen als er: "Wenn Cristiano Ronaldo den Ball in den Winkel schlenzt, würde ich den als Handball-Torhüter nie abwehren können."

Wolff reflektiert jedoch nicht nur über die vergangene EM, er macht sich auch Gedanken über die Zukunft: "Das Schwierigste für uns wird sein, dieses Bad-Boy-Image aufrechtzuerhalten, wenn wir uns weiter entwickeln. Wenn man nicht mehr primär über den Kampf kommen muss, sondern die Duelle spielerisch entscheiden kann." Als Europameister werde die Mannschaft zudem nicht mehr so unterschätzt wie bei der EM: "Und das müssen wir aushalten."

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