Süddeutsche Zeitung

Handball:Diesmal Freudentränen

Lesezeit: 2 min

Die Handballer des HSV Hamburg spielen wieder erstklassig - fünfeinhalb Jahre nach dem Absturz in die dritte Liga.

Von Carsten Scheele, Hamburg/München

Fast genau acht Jahre ist es her, dass sich Michael, genannt "Mimi" Kraus auf dem Hamburger Rathausplatz die Klamotten vom Leib riss. Kraus, heute 37, war mal der aufregendste Handballer des Landes, und die Hamburger Handballer waren das beste Team Europas. Sie waren deutscher Meister (2011) und gewannen die Champions League (2013), in der Verlängerung gegen den FC Barcelona. Also zog Kraus sich bei den offiziellen Feierlichkeiten aus, bis auf die Unterhose, er hatte Spaß dabei.

Was folgte, war der größte Absturz, den ein Klub im deutschen Handball bis dahin erlebt hatte. Das Team des HSV Hamburg war damals ein wirklich exquisites Ensemble, mit Martin Schwalb auf der Trainerbank, auf der Platte standen neben Kraus auch Torsten Jansen, Pascal Hens, Johannes Bitter, die Brüder Bertrand und Guillaume Gille. Doch im Juni 2014, nur zwölf Monate nach dem Champions-League-Sieg, war die Lizenz erst mal futsch. Der Ausstieg des damaligen Präsidenten und Mäzens Andreas Rudolph hatte den Klub schwer getroffen, die Spieler erhielten keine Gehälter mehr, die Hallenmiete konnte nicht beglichen werden, plötzlich fehlten 2,7 Millionen Euro, die nicht mehr aufzutreiben waren.

Als sich Rudolph aus dem Rampenlicht verabschiedete, nahm er seinen HSV Handball quasi mit. Es gelang zwar noch einmal, die Lizenz unter Auflagen zu erfüllen, 2016 folgte aber der endgültige Rückzug: tief runter in Liga drei, wo die zweite Mannschaft eigentlich spielte. Dort wurde neu aufgebaut, deutlich solider diesmal, nicht auf die Millionen eines Mäzens gestützt. Mit Martin Schwalb nicht als Trainer, sondern als Vizepräsident.

"Der Hamburger Handball ist jetzt wieder da, wo er hingehört"

Fünfeinhalb Jahre ist das her, am Dienstagabend konnte der Klub nun seine Rückkehr in die erste Liga vermelden - für die Beteiligten ein euphorischer Moment. Nach dem 32:28 in eigener Halle gegen Hamm feierte die Mannschaft ausgelassen auf dem Platz, in den Augen einiger Spieler wurden Tränen gesichtet, auf den Aufstiegs-T-Shirts, die vorsorglich angefertigt worden waren, prangte der Schriftzug: "Aufstieg 2021 - Nach Ebbe kommt Flut." In seiner Freude brach es aus Kapitän Lukas Ossenkopp heraus: "Nächste Saison fahren wir nach Kiel, Flensburg, Berlin - und nicht mehr was-weiß-ich-wohin."

Gefeierter Mann, damals wie heute: Torsten Jansen, genannt Toto. Der frühere Weltklasse-Linksaußen, Weltmeister von 2007, hat seine frühere Mannschaft 2017 als Trainer übernommen und nun behutsam in die erste Liga zurückgeführt. Er hat alles miterlebt, die großen Siege, den Absturz. Für ihn sei das "alles ein bisschen surreal", sagte Jansen. Von den Kollegen der zweiten Liga wurde er gerade zum "Trainer des Jahres gewählt". Und dann kehrt zur neuen Saison auch noch Johannes Bitter zurück, jener Keeper, der 2013 im Champions-League-Finale zwischen den Pfosten stand und nach seinem Aus in Stuttgart einen neuen Verein suchte. "Der Hamburger Handball ist jetzt wieder da, wo er hingehört", befand Hamburgs Innensenator Andy Grote.

Übrigens: Den HSV-Fußballern, mit denen sie sich zwar das Kürzel, nicht aber das Logo teilen, sind die Handballer nun einen wichtigen Schritt voraus: Sie spielen wieder erstklassig, die Fußballer bekanntlich nicht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5331042
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.