Süddeutsche Zeitung

Handball:Auf dem Dorfweg nach oben

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Listig, torgefährlich, mannschaftsdienlich: Falk Kolodziej war der geniale Spielmacher des Zweitligisten TuS Fürstenfeldbruck. Nach dem Abstieg verlässt er den Verein - und versucht sich als Profi.

Von Heike A. Batzer

Der Trick mit dem Seitfallzieher wird in Erinnerung bleiben. Sechs überaus große, durchtrainierte Männer sind ganz nah aneinandergerückt und haben die Arme weit in die Höhe gereckt, doch Falk Kolodziej spielt den Ball mit List und Tücke an ihnen vorbei: Im Fallen wirft er den Ball um die Abwehrmauer - und trifft. Zweieinhalb Jahre ist das schon her, und doch ist der Geniestreich typisch für Kolodziejs Art, Handball zu spielen. Sein Repertoire ist groß, er kann mit Wucht aus der Distanz werfen oder den Ball listig ins Tor zwirbeln. Und er hat stets den besser postierten Mitspieler im Blick. 183 Tore hat er in der zu Ende gegangenen Saison der zweiten Bundesliga erzielt - Platz neun in der Statistik der besten Werfer. Und mit 131 Zuspielen war er sogar der beste Vorlagengeber.

Zum Klassenverbleib hat es für den TuS Fürstenfeldbruck, bei dem Kolodziej den Spielmacher gab, dennoch nicht gereicht. Es sei "schade", sagt er, dass seine persönlichen Erfolgserlebnisse der Mannschaft nicht insofern zugute kamen, dass sie den Abstieg hätten verhindern können. Und so zieht Kolodziej nach drei Jahren weiter, um sein sportliches Glück anderswo zu suchen. Zusammen mit Torhüter Stefan Hanemann wird er in der neuen Saison für den TuS Vinnhorst spielen, einen ehrgeizigen und mit spendablem Sponsor ausgestatteten Stadtteilverein aus Hannover, der aktuell am Aufstieg in die zweite Liga gescheitert ist und von Herbst an wie Absteiger Fürstenfeldbruck in einer der sieben Regionalstaffeln der dritten Liga zugange sein wird. Ende des Monats wird Kolodziej nach Hannover umziehen.

Kolodziej ist schon im besten Handballalter, die Zeit für den großen Durchbruch wird knapp

Das ist der Preis, wenn einer im Profisport Fuß fassen will. Ständig flexibel sein, Ortswechsel in den Lebenslauf einplanen. Kolodziej möchte das Handballspielen zum Beruf machen, am besten in der ersten Liga. 27 ist er jetzt, schon im besten Handballalter, die Zeit für den großen Durchbruch wird knapp. Ein klein bisschen Erstligaluft sammelte er vor Jahren beim HBW Balingen-Weilstetten, als er vom dortigen Drittligateam wegen vieler Verletzter für ein paar Spiele in die Bundesligamannschaft aufrücken durfte. Für ein festes Engagement reichte es nicht, seither ist er als Wanderer zwischen zweiter und dritter Liga unterwegs.

Als A-Jugendlicher kam Falk Kolodziej aus Ebersberg, wo er aufgewachsen ist und das Handballspielen gelernt und im Jugendalter praktiziert hat, nach Fürstenfeldbruck. Er durchlief alle bayerischen Auswahlmannschaften, 2010 gehörte er zum erweiterten Kader der Jugendnationalmannschaft. Lehrmeister in seinen Ebersberger Jugendjahren war ausgerechnet Peter Feddern, der als Trainer den TuS Fürstenfeldbruck zum ersten Mal in die zweiten Bundesliga geführt hatte. Es war das Jahr, als Falk Kolodziej geboren wurde. In Fürstenfeldbruck brach Kolodziej seine Zelte schon bald wieder ab, ging für jeweils ein Jahr nach Bad Neustadt, Balingen, Saarlouis. 2018 kehrte er nach Fürstenfeldbruck zurück, schaffte mit dem Team schließlich den Aufstieg in Liga zwei.

Wie sich hochklassiger Handball anfühlt, hat er früh erfahren. Vater Christoph Kolodziej, Landestrainer beim bayerischen Handballverband, hat selbst in der Bundesliga gespielt, die Mutter in der dritten Liga. Als Belastung für das eigene Fortkommen empfand der Sohn die familiäre Erfolgsgeschichte nie, es sei eher ein positiver Anreiz gewesen, den Eltern nachzueifern, sagt er.

Die Möglichkeiten, höherklassig zu spielen, sind im südbayerischen Raum immer noch äußerst spärlich

Beim TuS Fürstenfeldbruck wird er eine Lücke hinterlassen. Als Spielmacher und Ideengeber war Kolodziej unverzichtbar und immer dann, wenn der Gegner besonders unüberwindbar erschien, lief er zu besonders großer Form auf: gegen den HSV Hamburg zum Beispiel, den späteren Meister. Eine famose 90-Prozent-Quote steht für ihn in dieser Partie zu Buche: neun Tore bei zehn Versuchen. Gegen den VfL Gummersbach traf er zehn Mal, gegen Elbflorenz Dresden waren es neun Treffer und neun Vorlagen. Kein Wunder, dass Fürstenfeldbrucks Handballer in allen drei Partien zu Überraschungssiegen kamen. Mutig spielen will er immer, auch auf die Gefahr hin, dass die Dinge manchmal daneben gehen. So wie damals in Nußloch, als Fürstenfeldbruck schon deutlich zurücklag und er dem Gegner den Ball durch die Beine spielte - allerdings "in die dritte Reihe der Zuschauer".

Nun will der 27-Jährige "Erfahrungen sammeln, was Neues sehen, andere Leute kennenlernen, netzwerken". Er ist überzeugt, dass "so ein Tapetenwechsel ganz gut tut." Die Möglichkeiten, höherklassig zu spielen, sind im südbayerischen Raum immer noch äußerst spärlich. Sich in jungen Jahren in ein Handballinternat aufzumachen, das wollten Falk Kolodziej und seine Familie nicht. Er habe es auf dem "Dorfweg" versucht, sagt er und grinst ein bisschen. An Benedikt Kellner sehe man, dass auch das funktionieren könne. Kellner kam vom TSV Ismaning und spielt heute beim Bundesligisten HC Erlangen. Sein Studium der Bewegungswissenschaften, das er vor einem halben Jahr in München begonnen hat, will Kolodziej als Sportwissenschaften in Hannover fortführen.

In Vinnhorst trifft er in Davor Dominikovic auf einen Trainer, der er noch aus Balinger Zeiten kennt. Die Personalie, so erzählt Kolodziej, habe zu seiner Entscheidung beigetragen, von München nach Norddeutschland zu wechseln: "Es ist sehr wichtig, dass einem der Trainer vertraut." Wie auch Martin Wild, sein bisheriger Coach, das getan habe. Er habe sofort an Kolodziej gedacht, soll Dominikovic gesagt haben, als Vinnhorst einen Spielmacher suchte. Der Kroate, ehemaliger Weltmeister und Olympiasieger, bestach als Spieler weniger durch Finesse denn durch sein robustes Abwehrspiel. Vielleicht schätzt er seinen neuen Regisseur genau deshalb.

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