Süddeutsche Zeitung

Handballer Andy Schmid:Bittere Tränen zum Abschied

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Früher als geplant beendet der Schweizer Handballer Andy Schmid seine Karriere. Er war zeitweise der beste Spieler der Bundesliga - und er erwies dem deutschen Handball noch einen großen Dienst.

Von Carsten Scheele

Es war ein Bild zum Heulen, das Andy Schmid in der Berliner Handballarena bot. Der wirklich große Handballer aus der Schweiz war plötzlich gar nicht mehr groß, sondern klein und bedauernswert. Minutenlang saß Schmid in einer Ecke in den Katakomben - und weinte.

Er habe von den vergangenen fünf Minuten "drei Minuten dreißig geweint", sagte Schmid etwas später; das Wort "Wehmut" sei bei seiner Gefühlslage "leicht untertrieben". Es war klar, dass die Europameisterschaft in Deutschland das letzte große Turnier des 40-Jährigen werden sollte, und sie war überhaupt nicht nach Plan gelaufen. Erst die Niederlage im Eröffnungsspiel gegen Deutschland (14:27), dann das ehrenwerte Unentschieden gegen den späteren Europameister Frankreich (26:26), schließlich die finale Pleite gegen Nordmazedonien (27:29) und das Aus nach der Vorrunde. "Ich weiß jetzt, dass es keinen Handballgott gibt", sagte Schmid. Er müsse jetzt nach Hause und sich sammeln.

Beim Sammeln ist herausgekommen, dass Schmid die Motivation für ein letztes halbes Jahr in der Schweizer Liga nicht mehr aufbringen kann. Beim HC Kriens-Luzern, zu dem er 2022 gewechselt war, wollte er weiterspielen, ehe er im Sommer das Schweizer Nationalteam als Trainer übernehmen wird - doch nun ist sofort Schluss. Schuld sei nicht nur das traurige EM-Aus. Es sei an der Zeit, das Feld freizumachen "für die Weiterentwicklung" anderer. "Ich weiß auch, dass es im Schatten von mir nicht einfach ist zu gedeihen", sagte Schmid: "Meine Spielerkarriere endet jetzt. Meine Liebe zum Handball bleibt."

Schmid war ein großer Denker und Stratege

Schmid war, das lässt sich ohne Übertreibung sagen, einer der größten und prägendsten Handballer der Bundesliga in den vergangenen 15 Jahren. Bei den Rhein-Neckar Löwen, für die er von 2010 bis 2022 unter Vertrag stand, entwickelte er sich zum Weltklasse-Mittelmann, der gleich fünfmal in Serie, von 2014 bis 2018, von den Fans zum "Spieler der Saison" gewählt wurde. Schmid war ein großer Denker und Stratege, jedoch gleichsam ein gefürchteter Rückraumschütze. Seine Anspiele an den Kreis gehörten zu den Besten, die es im Handballsport zu bestaunen gab. Schmid wurde zweimal deutscher Meister, gewann den DHB-Pokal und den EHF-Pokal.

In seinem letzten Bundesliga-Jahr hat der Schweizer dem deutschen Handball zudem einen gewaltigen Dienst erwiesen: Er nahm sich der Geschicke von Juri Knorr an, der gerade mit 21 Jahren nach Mannheim gewechselt war, als eine Art Mentor. Schmid vermittelte Knorr sein Spiellenker-Wissen aus erster Hand. "Ich wusste, wie wertvoll das ist, ein Jahr mit so einem Spieler zu teilen", sagte Knorr über Schmid. Er habe "extrem viel" für seine eigene Karriere mitgenommen. Sollte Knorr, wie viele glauben, irgendwann der beste Mittelmann der Welt sein, hätte Schmid an dieser Entwicklung großen Anteil gehabt.

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