Süddeutsche Zeitung

Ruud Krol über Gerd Müller:"Sich auf Müller vorzubereiten, war unmöglich"

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Ruud Krol, im WM-Finale 1974 Gerd Müllers Gegenspieler und beteiligt an dessen wichtigstem Karrieretor, erinnert sich an einen unglaublichen Strafraumstürmer.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es schmerze immer, ein Finale zu verlieren, sagt Ruud Krol am Telefon, und so schmerze es eben auch, das ikonische Foto vom WM-Finale von 1974 immer zu sehen. Das Foto vom Spiel Deutschland gegen die Niederlande im Münchner Olympiastadion, soll das heißen. Von dem Augenblick also, da Gerd Müller diese enigmatische Bewegung vom Tor weg vollzieht, um dann - und vielleicht auch genau dadurch - den Treffer zum 2:1 zu erzielen, der Deutschland zum zweiten WM-Titel seiner Geschichte verhalf. Krol ist auf dem Foto, weil er einen Ausfallschritt tat und Müller ihm den Ball durch die Beine schoss. "Das war ein typisches Gerd-Müller-Tor", sagt Krol am Telefon von seinem Domizil in der Nähe von Marbella im Süden Spaniens.

Die Szene hat sich in seinem Gedächtnis eingebrannt, wie könnte es anders sein. "Ich kam aus dem Mittelfeld zurückgesprintet und hatte versucht, die Hereingabe von unserer linken Seite (von Rainer Bonhof; Anm. d. Red.) zu verhindern", schildert Krol. Doch das misslang, der Ball flog in den Strafraum - zu Deutschlands Spieler mit der Rückennummer 13. "Gerd Müller brachte den Ball nicht richtig unter Kontrolle. Dann sprang er zurück zu ihm, und er schoss. Der Ball rollte langsam durch meine Beine, unser Torwart stand auf dem falschen Bein und konnte nichts mehr machen. Das war so typisch Müller, weil es sinnbildlich für seine Stärke stand: Sogar wenn er den Ball nicht gut berührte, traf er. In der Box war er einfach unglaublich."

Krol war Teil einer sagenhaften Generation von Ajax Amsterdam

Der heute 72-jährige Krol begann als Linksverteidiger und wechselte später ins Zentrum. Er wurde zu einem der weltbesten Verteidiger der 1970er Jahre - und Teil einer sagenhaften Generation von Ajax Amsterdam, die von Johan Cruyff angeführt wurde. Zwischen 1971 und 1973 holte Ajax drei Mal den Europapokal der Landesmeister - den Vorläufer der Champions League -, ehe die ebenfalls dreijährige Hegemonie der Bayern in Europa anbrach. Mit Sepp Maier, Franz Beckenbauer und eben Gerd Müller in den Hauptrollen.

Krol erinnert sich, dass er als Spieler der Vancouver Whitecaps mit Müller auch in den All Star Teams der nordamerikanischen Liga spielte. Ohne groß Kontakt mit dem Mann aufzubauen, mit dem sich sein Weg beim WM-Finale von München so unvergesslich gekreuzt hatte.

"Wir hatten im WM-Finale keinen besonderen Plan, der auf ihn zugeschnitten gewesen wäre. Wir hatten den Plan, unser Spiel zu machen, der leider nicht zum Sieg führte, das kommt im Fußball vor", sagt Krol. "Und überhaupt: Sich auf Müller vorzubereiten, war unmöglich. Immer wenn du dachtest, du hast ihn in der Tasche, brach der Moment an, da er aufwachte. Und traf."

"Er wirkte nicht wie ein feiner Fußballer. Aber ein feiner Torjäger, das war er."

Man habe sich oft über die Bayern und eben auch über Spieler wie Müller unterhalten, und da habe immer der Konsens vorgeherrscht, dass Müller vielleicht nicht wirkte wie ein großer Stilist, aber auch, dass das täuschte. "Er war kein Spieler der großen Solos, der drei Spieler ausspielte. Er wirkte nicht wie ein feiner Fußballer. Aber ein feiner Torjäger, das war er", sagt Krol, der auch in Argentinien 1978 mit den Niederlanden WM-Zweiter wurde, seine aktive Karriere in Neapel und Cannes beendete, ehe er als Trainer Weltenbummler wurde.

Müllers weiteren Werdegang verfolgte er danach aus dem Augenwinkel. "Mir verlangt große Hochachtung ab, wie sich der FC Bayern um ihn gekümmert hat, als er diese Probleme hatte - wie sie ihm aufhalfen und einen Job gaben", erzählt Krol. Dass Müller nun am Sonntag starb, habe ihn sehr berührt, "es war für mich ein sehr trauriger Tag." Und er kann nicht umhin, einen Umstand zu erwähnen, der ihm so rätselhaft vorkommt wie weiland die Bewegungen von Müller im Strafraum: "Ist es nicht seltsam, dass Robert Lewandowski den 40-Tore-Rekord brach, und Gerd Müller danach ging?", fragt Krol und findet keine Antwort. Nur ein Wort: "Unglaublich."

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