Süddeutsche Zeitung

Gary Medel gegen die DFB-Elf:Chiles ultimativer Matador

Lesezeit: 2 min

Von Jonas Beckenkamp

Alles, was man über Gary Alexis Medel Soto wissen muss, verrät sein Körper. Neben den branchenüblichen Tattoos und Titansehnen fällt bei diesem Mann nämlich vor allem eines auf: Er ist in etwa so breit wie hoch. Medel, der bissigste aller chilenischen Fußballer, misst gerade mal 1,71 Meter - und man tritt diesem Straßenkämpfer aus dem Westen von Santiago de Chile nicht zu nahe mit der Feststellung, dass seit Berti Vogts keiner mehr so kurzgewachsen und doch so kernig sein Tagwerk als Abwehrspieler verrichtete.

Im Übrigen: Was ist schon "klein", wenn einer mit seinem muskulösen Rumpf Türrahmen ausfüllen kann?

Wenn die deutsche Offensive an diesem Donnerstag (20 Uhr, SZ-Liveticker) beim Confed Cup gegen Chiles Defensive ihr Geschnixe und Getrickse zelebriert, wird der Spieler von Inter Mailand die Rolle des Spielverderbers übernehmen. Und Medel wird beispielsweise Sandro Wagner beibringen, was es bedeutet, wenn einer im Fußball "die Kiste ausfährt". Und wenn einer "gut in die Zweikämpfe kommt" und vor allem: Warum sie Medel in Chile "Pitbull" beziehungsweise "chilenischen Gattuso" nennen.

Wer nun vermutet, dass all diese Belehrungsversuche Aua machen können, liegt komplett richtig. Medel, 29, ist der wohl härteste Typ beim Confed Cup, er ist der ultimative Matador, sein Fachgebiet die eingeflößte Furcht. Fußballer, die alle erlaubten und manchmal auch die weniger erlaubten Mittel ausschöpfen, haben Tradition auf den Rasen der Welt. Es gab sie in den 70ern (Katsche Schwarzenbeck), den 80ern (Karl-Heinz Förster), den 90ern (Uli Borowka und Jürgen Kohler) und einige internationale Exemplare haben es auch in die Neuzeit geschafft (Sergio Ramos, Pepe oder Arturo Vidal).

Das besondere an Medel ist, dass er es geschafft hat, in einer ohnehin dem Zweikampf nicht abgeneigten chilenischen Elf der feisteste Reingrätscher zu sein. Beim 2:0 gegen Kamerun durfte er sogar als Kapitän voranrempeln - und half in seinem 101. Länderspiel mit einigen Tacklings, Drang und Schnelligkeit die Afrikaner einzubremsen. Dank solcher Hingabe und seiner Terrierqualitäten dichtete ihm das Sportmagazin El Periscopio bereits einen neuen "Chilenismus" auf den Leib.

Medel, der Vorkämpfer, der Anpacker aus dem Andenstaat, der auf seinem Twitter-Account namens "@MedelPitbull" verkündet: "Auf geht's Chile, carajo!" Mit "carajo" war Medel auch in der Vorbereitung auf das Turnier in Russland unterwegs - nur übertrieb er es da. Sein Platzverweis beim 2:3 im Test gegen Rumänien brachte ihm von Nationaltrainer Juan Antonio Pizzi einen Anpfiff ein: "Solche Fehler dürfen wir uns nicht erlauben - schon gar nicht auf der großen Bühne des Confed Cups."

Medel scheint den vom Coach angesprochenen "Weckruf" aber gehört zu haben und konzentriert sich seither auf seine Aufgabe: Den kamerunischen, deutschen und australischen Angreifern die Party verderben, zur Not auch mal mit einem freundlichen Fußfeger. In seinen Stationen bei Universidad Catolica, Boca Juniors, dem FC Sevilla und Cardiff City hat Medel den Bodenkampf durchgehend zelebriert, er hat gelbe und rote Karten gesammelt und es im Netz zu einer gewissen Berühmtheit gebracht.

Ob sie bei Inter Mailand auch noch in der kommenden Saison ihre Freude an Medels Kampfeslust haben, ist dagegen ungewiss. Denn: Der Confed Cup dient auch ihm als Bühne, um sich in gehobenem Rüpel-Alter noch einmal zu empfehlen. Aus der Türkei sind bereits Avancen von Besiktas Istanbul zu vernehmen, zudem kann sich offenbar auch Medels ehemaliger Verein Boca noch einmal die eine oder andere Grätsche des Pitbulls in Argentinien vorstellen.

So oder so: Zunächst dürfen sich Joachim Löws Männer an diesem Abend auf Medel freuen - die Frage wird sein, wer die Duelle mit "carajo" bewältigt.

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