Süddeutsche Zeitung

Doha:Eine Stadt voller Messis

Lesezeit: 1 min

Niemand wird bei der WM in Katar so verehrt wie der argentinische Wunderstürmer. Im Einkaufszentrum, in der U-Bahn, beim Public Viewing: Messi, Messi, Messi. Was das wohl mit ihm macht?

Glosse von Holger Gertz

Als Diego Maradona bei der WM 1986 seine Wundertore schoss, führte er ein Trikot spazieren, auf dem rückseitig die 10 stand, nur die heilige 10, damals wurde der Spielername noch nicht dazugedruckt. Wenn Maradona-Jünger nur eine 10 hinten auf ihr T-Shirt malten, war trotzdem klar, wen sie verehren oder wer sie gern wären, nicht nur in ihren Träumen.

Längst stehen die Namen der Spieler über der Nummer, was natürlich das Merchandising ankurbelt, denn weil der Schrifttyp genauso aussieht wie beim Spieler, kann sich der Fan im entsprechenden Fantrikot seinem Idol noch näher fühlen. Und so treiben und gondeln zahlreiche Imitationen der WM-Fußballer durch die Straßen und vollklimatisieren Shoppingmalls von Doha. Fantrikots der DFB-Elf sind selten, kein Wunder: Wer in Verehrung des deutschen Verteidigers David Raum die Aufschrift RAUM 3 auf dem Rücken trüge, sähe doch aus wie ein lebendes Hinweisschild in einem Tagungshotel.

Die meisten präsentieren die 10 und MESSI auf ihrem meist himmelblau-weiß gestreiften Shirt. Große und Kleine, Alte und Junge, Frauen und Männer, Argentinierinnen und Katarer: Messi. In einem Einkaufszentrum hier ist Venedig nachgebaut worden, mitsamt Kanalsystem, vor dem Spiel der Argentinier gegen Australien wurde es heimgesucht von Messi, Messi und Messi, die dort noch einen Happen essen wollten. In der U-Bahn fahren Messi, Messi und Messi zwischen Aziziyah und Legtaifiya herum, beim Public Viewing der Migrant Worker draußen in Asian Town sitzen Messi, Messi und Messi, sie kommen aus Indien und Nepal und Bangladesch.

Verehrung ist nicht nur ein Wort, es bedeutet etwas, für die Verehrenden, auch für die Verehrten. Und wenn man die zehntausend Messis in Doha sieht, wüsste man schon gern, wie der leibhaftige Lionel Messi damit umgeht. Was das mit ihm macht, wie man heute sagt. Aber Messi geht nicht durch die Shoppingmall, er hat schon alles. Und er muss sich aufs Viertelfinale vorbereiten.

Kurz zurück zu Diego Maradona. Der Sportreporter Marcel Reif, der ihn ein paarmal interviewt hat, sagte es so: "Auf Augenhöhe reden kann einer wie Maradona mit niemandem, weil niemand wirklich weiß, wie es sich anfühlt, Maradona zu sein. Als Maradona bist du immer alleine." Für Lionel Messi, der aus gutem Grund vermeidet, unter Messis zu sein, gilt das natürlich auch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5709051
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.