Süddeutsche Zeitung

Neuseelands Niederlage gegen die Philippinen:Lieber wieder Underdog sein

Lesezeit: 3 min

Nach dem Auftaktsieg war die Euphorie in Neuseeland groß - doch dann bauen die Filipinas ihre Abwehrkette auf. Der WM-Neuling holt den ersten Sieg seiner WM-Geschichte und bestätigt einen Trend dieses Turniers.

Von Felix Haselsteiner, Wellington

Etwas irritiert standen und lagen die elf Frauen in Schwarz auf dem Rasen. Gerade hatten sie den zweiten Heimsieg bei dieser Weltmeisterschaft verpasst - aber das Stadion klang gar nicht nach Niederlage. Jubel hallte durch die Arena in Wellington, ganz laut von den zahlreichen Anhängern der Philippinen, die den ersten WM-Sieg in der Geschichte ihrer Nation ausgelassen feierten. Aber es mischten sich auch tröstende, aufmunternde Applauswellen unter diese sehr gemischte und immer noch gut gelaunte Kulisse: Denn die heimischen Football Ferns haben weiterhin eine Chance auf das Achtelfinale - auch wenn sie nun einen Matchball vergeben haben.

Das 0:1 gegen die Philippinen ist angesichts des bisherigen Turnierverlaufs durchaus eine Überraschung und Enttäuschung für die kleine Gastgebernation Neuseeland, die nach dem Auftaktsieg gegen Norwegen noch so selbstbewusst ins Spiel gegen den noch kleineren Herausforderer gegangen war. "Wir hatten klar gesagt, dass wir dieselbe Intensität mitbringen wollen", sagte Außenverteidigerin Ali Riley: "Aber man muss feststellen: Die Philippinen wollten es heute mehr als wir. Die Mentalität, die wir gegen Norwegen hatten, haben heute sie gezeigt."

Die Neuseeländerinnen waren vor fünf Tagen noch selbst als großer Underdog ins Turnier gestartet, mit geringen Aussichten auf ein Weiterkommen - und mit allenfalls freundlich-solidarischem Rückhalt der eigenen Nation. Es brauchte schon diesen historischen ersten WM-Sieg, um das Land zu motivieren, aber dann war es in voller Stärke da. Talk of the town waren in den vergangenen Tagen die Ferns, egal wo man in Neuseeland die Gespräche aufschnappte, weshalb das Stadion in Wellington selbstverständlich ausverkauft und die Pubs der Stadt schon am Nachmittag gut gefüllt waren.

Allein: Es fehlte das fußballerische Glück an einem Abend, an dem plötzlich alles gegen Neuseeland zu laufen schien. Inmitten einer statistisch dominierten ersten Halbzeit mit 80 Prozent Ballbesitz erzielten die Philippinen nach einem Abwehrfehler durch einen Kopfball von Sarina Bolden das 1:0. Die in Kalifornien aufgewachsene Stürmerin gehört zum großen Kreis der Spielerinnen mit dualer Staatsbürgerschaft, die die Filipinas für die WM aufbieten, was aber in keiner Weise den Erfolg schmälern soll: "Filipinos leben auf der ganzen Welt, wir kommen von überall zusammen und fühlen auch die Unterstützung aus allen Ecken", sagte Bolden, sichtlich berührt von den zahlreichen Anhängern, die sich derzeit auch in neuseeländischen Stadien einfinden.

Auch sogenannte kleinere Teams stehen mittlerweile gut organisiert

Die Auszeichnung als Spielerin des Spiels ging allerdings nicht an die erste WM-Torschützin des Landes, sondern an Torhüterin Olivia McDaniel, die die Neuseeländerinnen mit ihren Paraden verzweifeln ließ, insbesondere im Schlussakt: In der dritten Minute der Nachspielzeit hätte die eingewechselte Grace Jale beinahe mit einem Volley den Ausgleich erzielt, scheiterte allerdings genauso an McDaniel wie zuvor ihre Kolleginnen im Sturm. Dazu kamen ein Pfostenschuss und eine hauchzarte Abseitsstellung von Stürmerin Hannah Wilkinson vor dem vermeintlichen 1:1 in der 69. Minute, die zumindest ein Unentschieden verhinderten.

"Man kann das durchaus als Enttäuschung ansehen", bestätigte Neuseelands Mittelfeldspielerin Malia Steinmetz, die gegen Norwegen noch das Spiel diktiert hatte, gegen die defensiveren Philippinen aber keine Kontrolle bekam. In Wellington bestätigte sich auch ein fußballerischer Trend dieser Weltmeisterschaft: Die vermeintlich kleineren Gegner, die sich im Spiel abwartend zurückziehen, sind so gut organisiert und diszipliniert, dass es mit etwas Glück im Konterspiel auch für große Erfolge reichen kann.

Alle vier Teams können noch aus eigener Kraft weiterkommen

Der australische Trainer der Philippinen, Alen Stajcic, steht genau für diesen pragmatischen Ansatz, den man auch schon bei den Teams aus Vietnam, Haiti, Südafrika oder Jamaika sehen konnte: Sein Team verteidigte zweikampfbetont und perfekt sortiert mit zwei Viererketten, was zu nur vier eigenen Torschüssen durch Konter führte - aber mehr braucht es auch nicht für einen Anwärter auf Überraschungserfolge bei einer WM.

Im beschriebenen Phänomen liegt allerdings auch die Hoffnung für das neuseeländische Team vor dem dritten Spiel gegen die Schweiz am Sonntag in Dunedin: endlich wieder der Underdog sein zu dürfen! "Man weiß nie, was für Geschichten so eine Weltmeisterschaft schreibt", sagte Steinmetz - das trifft insbesondere auf Gruppe A zu: Nach dem 0:0 zwischen den Schweizerinnen und Norwegen im dritten Spiel des Tages können vor dem finalen Spieltag noch alle vier Teams weiterkommen. Weshalb die Euphorie um die heimischen Ferns vielleicht einen Dämpfer bekommen hat, aber sicher noch nicht abgeflaut ist.

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