Süddeutsche Zeitung

VfB Stuttgart:Am besten so wie Christian Seifert

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Thomas Hitzlsperger versichert, für seinen Abschied beim VfB Stuttgart gebe es nicht den einen Grund. Völlig offen ist nun, wie es bei ihm weiter geht - und wer ihm nachfolgt.

Von Christof Kneer, Stuttgart/München

Am Sonntag, beim Heimspiel des VfB Stuttgart gegen Bayer Leverkusen, wird es diese Bilder wahrscheinlich wieder geben. Die Kameras werden hinaufzoomen auf die Funktionärstribüne, und sie werden dort Thomas Hitzlsperger und Claus Vogt treffen, den Vorstandsvorsitzenden und den Präsidenten des VfB. Vor ein paar Monaten wären in solchen Momenten wahrscheinlich ein paar kalibrierte Linien angelegt worden, die den Abstand zwischen den beiden vermessen hätten, auch jeder Handschlag und jede Grimasse wurden damals in einen größeren Zusammenhang gestellt. Und über jedem dieser Bilder stand in unsichtbarer Schrift: Wie können diese beiden Männer noch nebeneinander stehen?

Zuletzt war wieder etwas Ruhe eingekehrt am Standort Stuttgart, auch dank der örtlichen Fußballmannschaft, die zumindest in der vergangenen Saison zu den erfreulicheren Erscheinungen der Bundesliga gehört hatte. Auch Hitzlsperger und Vogt hatten immer wieder den Eindruck vermittelt, dass ihre kriegerischen Auseinandersetzungen der Vergangenheit angehören - wie der offene Brief, mit dem Hitzlsperger kurz vor dem Jahreswechsel den Präsidenten frontal attackiert hatte; oder der scharfe Konter des Präsidenten; oder der interne Wirbel, den die Aufklärung der sog. Datenaffäre verursacht hatte inklusive der von den Klublagern sehr unterschiedlich bewerteten Hinzuziehung der Beratungsfirma Esecon.

Hitzlsperger gilt als Gewinn für einen stets aufgeregten Traditionsbetrieb

Insofern traf es die Öffentlichkeit durchaus überraschend, als Hitzlsperger nun ankündigte, seinen Vertrag als Vorstandschef nicht zu verlängern. Bis Oktober 2022 ist der 39-Jährige noch an den Verein gebunden, und es ist zumindest der erklärte Wille aller Beteiligten, bis dahin friedlich beieinander zu bleiben. Hitzlsperger hat sich dabei den DFL-Chef Christian Seifert zum Vorbild genommen, der frühzeitig seinen Abschied einreichte, um seinem Arbeitgeber genügend Zeit bei der Suche eines Nachfolgers zu gewähren - und diesen Nachfolger, der nun eine Nachfolgerin (Donata Hopfen) geworden ist, einzuarbeiten. Ob das im zuletzt recht verminten Ländle auch gelingt? Wetten darauf würde kein sparsamer Schwabe annehmen.

Hitzlsperger gilt als seriöse Figur und allgemein als Gewinn für einen stets aufgeregten Traditionsbetrieb, und so hat er sich fest vorgenommen, den Verein erhobenen Hauptes, aber auch ohne Hinterlassung schmutziger Wäsche zu verlassen. Insofern wird er niemandem den Gefallen tun, seinen Abschied öffentlich mit dem Hausfeind zu verknüpfen. Es gebe "nicht den einen Grund", teilt Hitzlsperger nun öffentlich mit, "eine Summe von Ereignissen und Erlebnissen" habe ihn bewogen, den Klub zu verlassen - das ist die offizielle Formulierung.

Tatsächlich wäre es zu einfach zu behaupten, dass Vogt den innerparteilichen Rivalen genervt in die Flucht getrieben hätte, aber natürlich hat sich Hitzlsperger Gedanken um seine grundsätzliche Arbeitsplatzzufriedenheit gemacht. Nach der Wiederwahl von Claus Vogt im Juli hat sich die Zusammensetzung im Aufsichtsrat verändert, der Vorstand ist komplett neu besetzt - für Hitzlsperger ist derzeit schwer abzuschätzen, wer künftig welchen Einfluss haben wird und wem er wie trauen kann.

Der Vorstandsvorsitzende hat den Verein auch gesellschaftspolitisch positioniert

Gemäß der Hauskultur des VfB hätte er als Vorstand nun wohl einen Fünf-Jahres-Vertrag vorgelegt bekommen, das ist ein gewaltiger Zeitraum bei einem intensiven Verein in einer intensiven Branche - erst recht für einen unabhängigen Denker wie Hitzlsperger, der sich außerdem seines Wertes in der Branche bewusst ist. Er hat dem VfB nicht nur den fähigen Sportdirektor Sven Mislintat verschafft, dem er viel Raum für eigene Notizen lässt; zusammen mit Mislintat hat Hitzlsperger in Stuttgart einen der jüngsten Kader Europas angemischt und damit nach Branchenlogik eine Menge Werte geschaffen. Auch hat er den Verein gesellschaftspolitisch positioniert, sich öffentlich für Nachhaltigkeit und Diversität eingesetzt. Aber klar: Den offenen Brief hat er schon auch geschrieben.

"Von mir aus gibt es diese Ambitionen nicht", sagt Hitzlsperger, wenn man ihn nun mit den kursierenden Gerüchten konfrontiert, wonach er DFB-Präsident werden könne. Richtig ist: Sollte er seinen Vertrag in Stuttgart tatsächlich bis zum letzten Tag erfüllen, wäre der Posten beim DFB bis dahin schon vergeben. Völlig offen ist auch, wer sein Nachfolger bei VfB werden könnte. Beim Verein versichern sie, es gebe keinen Plan B.

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