Süddeutsche Zeitung

Fußball und der Krieg in der Ukraine:Jaremtschuks Botschaft

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Ein Kopfball, ein Tor und ein Zeichen des Protests: Stürmer Roman Jaremtschuk verweist mit dem Wappen der Ukraine auf seine von Russland angegriffene Heimat - auch ein russischer Nationalspieler protestiert.

Von Ulrich Hartmann, München

Beinahe hätte Roman Jaremtschuk sein wichtigstes Anliegen am Mittwochabend gar nicht umsetzen können. Er hing nach seinem Champions-League-Treffer nämlich im Tornetz fest. Dabei hatte er es doch eilig, und das hatte nichts mit dem Spielstand zu tun. Jaremtschuk wollte der Welt etwas zeigen.

Das Achtelfinal-Hinspiel zwischen seinem Klub Benfica Lissabon und Ajax Amsterdam befand sich in der 72. Minute. Benfica lag 1:2 zurück. Der 26 Jahre alte ukrainische Stürmer aus Lviv ganz im Westen der Ukraine war zehn Minuten zuvor eingewechselt worden. Er lauerte im Zentrum vor dem Ajax-Tor, als er seinen Mitspieler Goncalo Ramos aus 20 Metern aufs Tor schießen sah. Amsterdams Torwart Remko Pasveer flog durch sein Tor, parierte den Schuss mit einer Faust, der Ball flog hoch in die Luft und kam wieder herunter. Da witterte Jaremtschuk seine große Chance: für einen Treffer - und für seine Botschaft.

Mit aller Kraft und Entschlossenheit rannte er Richtung Tor, stieß sich vom Boden ab, sprang zum Kopfball hoch und drückte den Ball inmitten mehrerer Gegenspieler mit der Stirn ins Tor. Es war der Treffer zum 2:2-Endstand. Ein wichtiges Tor für Benfica und ein noch wichtigeres für Jaremtschuk. Nicht nur sportlich. Er trug an diesem Abend ein besonderes T-Shirt unter seinem Trikot. Der ganzen Welt wollte er es zeigen. Doch er war bei seinem Kopfball-Sprung tief ins Tor hineingeflogen. Und nun hing er im Netz fest.

Sogar Fedor Smolow, russischer Profi von Dynamo Moskau, protestiert gegen Putins Aggression

Er brauchte ein paar Sekunden, um seinen Fuß aus dem Netz zu befreien, dann rannte er jubelnd von dannen und zog sein Trikot aus. Darunter trug er ein schwarzes T-Shirt, auf dem weiße Linien den sogenannten Dreizack des ukrainischen Wappens abbildeten. Jaremtschuk hat in seiner Karriere schon viele Tore erzielt, für Dynamo Kiew, FK Oleksandrija, KAA Gent, Benfica Lissabon und für die ukrainische Nationalmannschaft. Doch dieses Tor am Mittwoch in Lissabon war eines seiner bedeutsamsten. Denn auf seinem T-Shirt verbildlichte ein Ornament einen Hilferuf an die Welt.

"Die Situation in meiner Heimat macht mir Angst", sagte er nach dem Spiel. "Ich muss viel darüber nachdenken und wollte mein Land unterstützen." Er konnte nicht anders, als nach dem Treffer das ukrainische Wappen zu zeigen, obwohl er für das Ausziehen des Trikots regelgerecht eine gelbe Karte bekam und darüber hinaus weitere Sanktionen durch den europäischen Fußballverband fürchten muss. Denn politische Botschaften zu zeigen, das verbietet die Uefa.

Die Fußballer von Slavia Prag wärmten sich dennoch vor dem Spiel der Conference League am Donnerstagabend gegen Fenerbahce Istanbul in T-Shirts mit der Aufschrift "We stand with Ukraine" auf. Die Kapitänsbinde trug der ukrainische Nationalspieler Taras Kacharaba. In der Europa League zeigten die Spieler von Neapel und Barcelona ein Banner mit den Worten "Stoppt den Krieg" ("Stop War"). Bergamos ukrainischer Doppeltorschütze Ruslan Malinovskyi zeigte ein T-Shirt mit der Aufschrift "Kein Krieg in der Ukraine" ("No War in Ukraine").

Keiner Gefahr einer Verbandsstrafe setzte sich derweil Manchester Citys Linksverteidiger Oleksandr Sintschenko aus, als er sich im Internet zu Wort meldete. Sein Klub spielt erst am 9. März wieder in der Champions League. Seine Meinung wollte der 25-Jährige aus Radomyschl westlich von Kiew trotzdem schon öffentlich machen. "Mein Land gehört den Ukrainern und niemand wird es sich jemals aneignen können", schrieb er beschwörend bei Instagram. Überraschend ergriff sogar der russische Nationalspieler Fedor Smolow Partei für die Ukraine. "Nein zum Krieg", schrieb der Stürmer von Dynamo Moskau und illustrierte die Botschaft mit einem zerrissenen Herzen und der ukrainischen Flagge.

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