Süddeutsche Zeitung

Fußball-Bundesliga:Schupferl im Piefke-Land

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Entdeckungen aus dem Land der Skifahrer: Die Bundesliga hat 15 Österreicher unter Vertrag genommen. Werder Bremens Marko Arnautovic ist der teuerste, begabteste und schwierigste davon.

Christof Kneer

Andreas Herzog meint, dass das auch an der Sprache liegt. Österreichische Fußballer seien in der deutschen Bundesliga schneller zu integrieren als Profis aus Osteuropa oder Südamerika, meint er. Herzog muss es wissen, er hat neuneinhalb Jahre seiner großen Karriere an die Deutschen verschenkt, achteinhalb davon an die Bremer, die "moin" sagen, wenn er "servas" sagt.

Folgt man Herzogs Logik, dann begreifen es deutsche Manager also als Vorteil, Spieler zu engagieren, die zum Ball "Wuchtel" sagen, zum Beinschuss "Gurkerl", zum Heber "Schupferl", zum Dribbelkünstler "Dribblanski" und zum miserablen Torwart "Eiergoalie". Andreas Herzog war in Bremen übrigens ein Primgeiger, man könnte auch sagen ein Führungsspieler.

Für Herzog ist es "a rechte Freud'", wie er sagt, dass er sich momentan sogar dienstlich wieder mit Bremen beschäftigen darf. Herzog, 42, ist Trainer der österreichischen U21, in der ein Spieler steht, der seines Erachtens in jeder U21 der Welt spielen könnte, selbst in der spanischen, brasilianischen oder sogar isländischen (das sind die, die Deutschland 4:1 besiegt haben). "Marko Arnautovic ist das größte Talent, das Österreich in den letzten Jahrzehnten hatte", sagt Herzog und bescheinigt dem 21-Jährigen "noch größere Anlagen als Krankl, Prohaska oder Polster".

Das Ösi-Experiment

Arnautovic - eine Art Dribblanski, der jede Art von Schupferl und Gurkerl sowie auch den Stangerlpass beherrscht - steht seit Juli bei Werder Bremen unter Vertrag, woran Herzog, der alte Primgeiger, nicht ganz unbeteiligt war. "Werder hat sich vor dem Wechsel bei mir erkundigt", sagt Herzog, und auch der Spieler wollte wissen, wie das Leben so ist da oben, wo die Leute "moin" sagen, wo es doch "servas" heißt.

Arnautovic gilt als eines der spannendsten Experimente der neuen Saison, die an diesem Wochenende mit dem DFB-Pokal beginnt und den Bremern ein Spiel bei RW Ahlen beschert, einem Jausengegner, wie Arnautovic möglicherweise sagen würde. In Österreich meinen sie, dass der gelegentlich verhaltensauffällige Stürmer auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn balanciert und sich noch nicht endgültig entschieden hat, zu welcher Seite er tendiert. Fest steht aber, dass der launenhafte Flattermann einen Trend anführt, an den sich die deutsche Bundesliga gewöhnen darf. Der Trend besagt, dass die Liga ihr Shoppingverhalten schleichend verändert, sie entdeckt neue Ziele. Eines liegt weit im Osten, auf dem sagenumwobenen asiatischen Markt, von wo weitere spannende Personalien stammen, die Japaner Kagawa (Dortmund) und Uchida (Schalke) etwa oder der Nordkoreaner Jong Tae-Se vom Absteiger Bochum. Aber vor allem geht der Trend dazu, nicht ganz so weit im Osten, sondern genau genommen kurz hinter Grenze einzukaufen - in einem Land, in dem die Deutschen bislang vorwiegend Skifahrer vermuteten.

Neben Arnautovic sind in diesem Sommer auch die Österreicher Emmanuel Pogatetz (Hannover), Erwin "Jimmy" Hoffer (Kaiserslautern) sowie Rubin Okotie (Nürnberg) neu in die Bundesliga gewechselt, dazu kommen Christian Fuchs (Mainz), Martin Harnik (Stuttgart) und Clemens Walch (Kaiserslautern), die sich innerhalb Deutschlands verbesserten. Zusammen mit den zuvor schon ins Piefke-Land ausgewanderten Kollegen bilden die Ex-Skifahrer eine 15-köpfige Exilgruppe (siehe Kasten), in der Ersatzkeeper ebenso vorkommen wie Perspektivspieler (der Bremer Arnautovic, der Lauterer Hoffer oder der Jungbayer David Alaba) und etablierte Primgeiger (wie der Mainzer Andreas Ivanschitz).

"Extremst erfreulich" sei der Trend, findet Ivanschitz, der sich in der Bundesliga zunehmend von selbstbewussten Landsleuten umstellt sieht. "Auffällig ist, dass sich unsere Jungen den Sprung inzwischen zutrauen", sagt Ivanschitz, "vor ein paar Jahren wären sie noch daheim geblieben." Andreas Herzog ist überzeugt, "dass dieser Trend sich noch verstärken wird. Unsere Profis sind noch nicht teuer, dafür sehr gut ausgebildet".

Spione in der Bundesliga

Österreich ist tatsächlich ein Beispiel dafür, wie eine Großveranstaltung ein Land verändern kann. Die gemeinsam mit der Schweiz ausgetragene EM 2008 mussten die Österreicher zwar schon nach der Vorrunde verlassen, "aber die speziellen Förderprogramme, die damals aufgelegt wurden, machen sich heute bemerkbar", sagt Herzog. Das Challenge 2008-Programm wurde inzwischen vom Projekt 12 abgelöst - ein Projekt, bei dem der Österreichische Fußball-Verband jedem Erstligisten einen Individualtrainer für seine Nachwuchsspieler spendiert. "Da werden noch einige nach Deutschland kommen", sagt Herzog.

Das haben sie clever gemacht, die Österreicher. In der EM-Qualifikation treffen sie bald auf den Lieblingsrivalen aus Deutschland, dessen Liga sie sicherheitshalber schon mal unterwandern. Sie scouten vor Ort, kundschaften Stärken und Schwächen aus, und nebenbei werden sie immer besser. "Wer sich mit Bundesliga-Topspielern misst, steigert definitiv sein Niveau", sagt Ivanschitz.

"Wir würden uns freuen, wenn sich ein paar in Deutschland durchsetzen", sagt Andreas Herzog. Und am schönsten wäre, sagt er amüsiert, "wenn wir dann in der EM-Qualifikation in der 89. Minute das 1:0 schießen", durch einen Schupferl am besten.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2010
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