Süddeutsche Zeitung

French Open:Das deutsche Tennis verabschiedet sich aus Paris

Lesezeit: 2 min

Von Gerald Kleffmann, Paris

Am Anfang war Carina Witthöft nicht da. Der Schiedsrichter kletterte wieder vom hohen Stuhl herunter. Karolina Pliskova, ihre Gegnerin, schaute zunehmend genervt. Die Minuten verstrichen. Witthöft erschien partout nicht. Dabei war dieses Drittrundenmatch für exakt 11 Uhr terminiert. Normalerweise kommen die Spieler überpünktlich. Es war jetzt schon 11.04, 11.05, 11.06, 11.07 Uhr. Um 11.08 Uhr trudelte die Deutsche dann tatsächlich ein. Sie sah gar nicht groß zu Pliskova, setzte sich und machte sich dann bereit fürs Einschlagen. Später hatte sie eine schlüssige Entschuldigung parat: "Der Security-Mensch wusste den Weg nicht." Als sie plötzlich bei Court 8 waren hinter dem Hauptstadion Court Philippe Chatrier anstatt bei Court 3 vor dem Hauptstadion, habe sie zu dem Mann gesagt, "was er hier eigentlich macht".

Selbst wenn Witthöft natürlich absolut nichts für dieses Malheur konnte: Irgendwie passte dieses Missgeschick in ein größeres Bild.

Die deutschen Profis und Paris, nein, das war diesmal keine runde Sache. Die 22-Jährige aus Hamburg war ja die letzte Vertreterin des Deutschen Tennis-Bundes gewesen, die um den Einzug ins Achtelfinale kämpfte. Nach dem 5:7, 1:6 in der dritten Runde der French Open ist aber auch sie ausgeschieden. DTB-Präsident Ulrich Klaus, der auf der Tribüne saß, kann mit gutem Gewissen wie geplant am Montag nach Hause reisen. Er verpasst nichts mehr, was das Hauptfeld im Frauen- wie Männereinzel aus deutscher Sicht betrifft.

Die Niederlage von Witthöft ist dennoch ein Zeichen der Hoffnung gewesen, zumindest für die Fed-Cup-Spielerin. Sie ist eine dieser jungen, modernen Frauen, die das Selbstvertrauen mitbringen, an sich zu glauben. Vorher hatte Witthöft auf die Frage, ob sie sich zutraue, die Weltranglisten-Dritte aus Tschechien zu besiegen, zum Beispiel explizit gesagt: "Ich glaube, ich habe die Mittel." Dabei hatte sie nur zweimal gegen Akteurinnen aus einer derart hohen Weltranglisten-Region gespielt. Zweimal war es Angelique Kerber gewesen, beide Male hatte sich die Favoritin durchgesetzt.

An diesem Sonntag lag Witthöft zwar schnell 0:2 zurück, konterte aber, weil sie ihre Matchidee stringent durchzog. Sie wollte Pliskova "viel bewegen", und dies glang ihr, indem sie vor allem die Bälle solide immer und immer wieder mit Länge zurückspielte. Pliskova war im ersten Satz im Grunde für alle Punkte zuständig. Sie machte die Punkte mit Winnern, aber auch viele Fehler - 19 allein in Durchgang eins. Witthöft habe gespürt: "Sie hat gewackelt." Bei 5:6 und 40:0 hatte sie drei Breakchancen zum Erreichen des Tie-Breaks. Pliskova wehrte sie mit drei starken Punkten ab. "Sie ist die Nummer eins, zwei oder drei der Welt", sagte Witthöft ein bisschen salopp, "und das merkt man schon."

Nach ihrem überzeugenden ersten Satz, in dem sie dachte, "ich kann gewinnen", brach dann ihr Widerstand, "ich habe komplett den Faden verloren". Die Statistiken kippten zugunsten Pliskova, die ihre harten Grundlinienschläge nun zu oft unerreichbar platzierte. Witthöft wolle nun einiges "hier mitnehmen" an Erkenntnissen und Schwung, sie hatte immerhin nun auch in Paris - wie bei den anderen drei Grand Slams - endlich einmal die dritte Runde erreicht.

Insgesamt war es dennoch für den DTB als Team das schlechteste Abschneiden bei einem Grand Slam seit 2008. Und Pliskova wie auch die Rumänin Simona Halep könnten mit einem Erfolg noch Kerber vom ersten Weltranglistenplatz stoßen. Die 29-Jährige war bereits in der ersten Runde gescheitert und hatte angekündigt: "Irgendetwas wird sich ändern müssen." Ein Satz, der sich nach diesen French Open als Fazit der ganzen DTB-Fraktion eignet.

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