Süddeutsche Zeitung

Frankfurt:Eintracht Frankfurt, die Fantasie-Mannschaft

Lesezeit: 2 min

Von Christof Kneer

Bei der U 20-WM im Juli 2013 spielte der Uruguayer Guillermo Varela nach Augenzeugenberichten ziemlich gut. Es war zwar nicht so, dass hier zwingend ein Weltstar heranwuchs, aber okay, rechte Verteidiger gibt's nicht so viele gute, und bevor die Konkurrenz ihn holt ... Jedenfalls hat Manchester United den jungen Mann gleich verpflichtet. Sicher ist sicher, und was man hat, hat man.

Varela, 24, hat eine kleine Karriere gemacht seitdem, er hat sich erst zu Real Madrids zweiter Mannschaft verleihen lassen, dann ist er zurück nach Manchester und hat es dort immerhin zu vier Premier-League-Spielen gebracht, und zwar unter dem Trainer mit der weltgrößten Ahnung, unter Louis van Gaal. Einen vorläufigen Karrierehöhepunkt gab es nun diese Woche zu feiern, in der Varela die Weltneuheit gelang, wegen einer Tattoo-Entzündung von Eintracht Frankfurt suspendiert zu werden. Fünf Tage vor dem Pokalfinale hatte sich der Uruguayer die rechte Armbeuge tätowieren lassen, gegen die Anweisung von Trainer Niko Kovac und den Rat der Ärzte. "Grob fahrlässig" nannte das der Sportchef Fredi Bobic und erklärte, "Guillermos Weg bei der Eintracht" sei "mit dieser Aktion beendet".

Varelas Geschichte ist eine spezielle, aber wenn man sich das Tattoo wegdenkt, steht sie doch stellvertretend für jene Elf, die jetzt den BVB in Berlin herausfordert. Eintracht Frankfurt ist - je nach Geschmack - das am modernsten, am kreativsten oder am zynischsten komponierte Team im deutschen Profifußball.

"Wenn man nur ein gewisses Budget hat, muss man Spieler finden, für die man eine Fantasie entwickelt", sagt Bobic, der diese Fantasien gerne jenseits der Grenzen auslebt. "Auf dem internationalen Markt gibt es viele Toptalente, die von großen Klubs gekauft werden, obwohl sie da nicht gleich eine Rolle spielen. Manchmal sind Spieler reine Spekulationsobjekte."

Und wenn diese Spieler in Madrid oder Manchester unglücklich sind: Dann kommt Fredi Bobic ums Eck gebogen. "Auf diesem Markt finden wir Spieler, die uns helfen", sagt Bobic über sein spezielles Leih-Modell. Seine Eintracht ist auf diese Weise zu einer Lebensabschnitts-Elf geworden, die die Mechanismen des modernen Fußballs perfekt abbildet. Der Klub und ein paar unbekannte Spieler ( siehe Auflistung) gehen einen kleinen Weg miteinander und haben sich in dieser Zeit auch ein bisschen lieb, und nach ein, zwei Jahren geht man im Guten auseinander. Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, in dem beide Parteien Zeit gewinnen - "ein Klub kann sich in so einer Zeit des Übergangs stabilisieren und Substanz aufbauen", sagt Bobic, "und irgendwann kann man sich dann wieder an größere Transfers trauen." Und nach dem Abschied behalte man die Spieler "im Auge, vielleicht kommt man später noch mal zusammen".

Außer natürlich, man hat sich wegen einer Tattoo-Entzündung getrennt.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2017
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