Süddeutsche Zeitung

Formel 1:Rosberg nutzt Hamiltons Startschwäche

Lesezeit: 3 min

Von Elmar Brümmer, Suzuka, Suzuka

Ein Heulton aus dem Cockpit von Nico Rosberg signalisierte nach der Zieldurchfahrt beim Großen Preis von Japan eine Titelentscheidung in der Formel 1 und eine Vorentscheidung. Der Wiesbadener sicherte mit seinem fünften Sieg hintereinander dem Mercedes-Rennstall vorzeitig den Hattrick in der Konstrukteurs-WM und ist jetzt selbst auf dem besten Weg, zum ersten Mal Weltmeister zu werden.

Dadurch, dass sein Rivale Lewis Hamilton den Start verhauen hat, hat er in der Gesamtwertung jetzt 33 Punkte Vorsprung bei noch vier ausstehenden Rennen. Titelverteidiger Hamilton schaffte es von Platz acht nach der ersten Runde zwar noch auf den dritten Rang, scheiterte aber im Kampf um einen noch besseren Platz bei der entscheidenden Attacke gegen den Niederländer Max Verstappen kurz vor Schluss. Sebastian Vettel, der anfänglich auf Podiumskurs lag, blieb abgeschlagen nur der vierte Rang.

"Ein Riesen-Wochenende, von A bis Z", jubelte Nico Rosberg nach seinem neunten Saisonsieg, "und das auf dieser legendären Strecke. Es hat alles gepasst." Den Glückwünschen ans Team folgte die Ankündigung, möglichst heftig zu feiern. Er selber wolle sich aber zurückhalten mit Karaoke: "Ich bin sehr glücklich, aber ich muss mit meinen Kräften für den Rest der Saison noch ein bisschen haushalten." Der besiegte und sichtlich angeschlagene Lewis Hamilton musste auch auf dem Podium klein beigeben: "Ich bin glücklich, überhaupt in den Punkten zu sein. Und stolz auf mein Team." Über seine Taktik für die verbleibenden vier Rennen der Saison muss man nicht groß nachdenken: "Ich werde jetzt alles geben, was ich kann - so wie ich es im Rennen getan haben. Mal sehen, was noch passiert."

Probleme mit der Kupplung

Starts sind der Schlüssel zum Sieg. Und das ist so ziemlich die schwächste Disziplin von Lewis Hamilton. Im Kampf um die Pole-Position lag er nur die Winzigkeit von 13 Tausendstel hinter seinem Rivalen Nico Rosberg, was 82 Zentimetern auf eine Suzuka-Runde entspricht. Im Rennen waren es hingegen noch vor der ersten Kurve schon reichlich 100 Meter, denn zum fünften Mal in dieser Saison versaute der Brite den Start. Hamilton kommt einfach nicht mit der Mercedes-Kupplung klar, die offenbar die anspruchsvollste im ganzen Feld ist. "Die Starts können mich den Titel kosten", ahnte er schon vor Wochen.

Nico Rosberg, zum dritten Mal in Folge in Japan ganz vorn gestartet, war da schon auf und davon. Nur Max Verstappen im Red Bull konnte ihm einigermaßen folgen, Sebastian Vettel als weiterer Gewinner der Startphase auch. Das Feld musste sich rund um das unfreiwillige Verkehrshindernis Hamilton erst neu sortieren. "Sorry, Jungs", funkte der Noch-Champion mit den durchdrehenden Rädern an den Mercedes-Kommandostand. Er mühte sich auf Position acht lange mit Nico Hülkenberg, für den jedes gute Überholmanöver ein Empfehlungsschreiben für einen neuen Job im Renault-Werksteam war - oder um seine Stellung bei Force India zu festigen. Als Hamilton vorbei war, hatte Nico Rosberg schon über 16 Sekunden Vorsprung gegenüber ihm.

Immerhin durfte er einmal, in Runde 13, die Führung übernehmen, als alle anderen beim Reifenwechsel von Weich auf Hart waren. Das manövrierte ihn an Kimi Räikkönen vorbei, anschließend ging es schnell hoch auf Platz vier. Aber das Top-Trio schien unerreichbar. Rosberg kontrolliertw das Rennen nach Belieben, was für seine Zwecke optimal war, für die Unterhaltung des Publikums eher nicht.

Auch Verstappen und Vettel hatten sich sortiert. Der Versuch, über die Reifentaktik beim zweiten Stopp den Heppenheimer vorbei oder zumindest näher heranzubringen, scheiterte. Pascal Wehrlein machte ihm eine schnelle Runde kaputt, dann verpassten die Ferrari-Strategen den richtigen Zeitpunkt, ihn hereinzuholen. Also blieb er so lange draußen und vorn, wie es nur ging. Hamilton verfolgt lange das gleiche Prinzip - und kam 20 Runden vor Schluss an die Box. Als Vettel das in der Runde danach tat, musste er sich hinter dem Briten einordnen. Allerdings auf den weichen Reifen.

Verstappen packt den Schlenker aus

Eine Verzweiflungsaktion, zumindest aber ein Poker. Und endlich wieder ein Spannungsmoment. Der fliegende Vettel gegen Hamiltons "Hammer-Time" - der Anflug eines Renn-Dramas. "Der haut mir auf der Geraden immer ab", klagte Vettel über die Verfolgungsjagd. Nach wenigen Runden musste er das Vorhaben aufgeben, Hamilton orientierte sich nach vorn, Verstappen war vor dem letzten Rennviertel nur noch vier Sekunden entfernt. Jeder Punkt zählt in seinem Versuch, doch noch einen Turnaround im Titelkampf zu schaffen.

Alles hing an den Reifen - und den zu überrundenden Piloten. Im Funkverkehr gab es keine anderen Themen mehr. Zehn Runden noch, Hamilton war auf eine Sekunde heran an Verstappen. Das Duell der größten Talente aus dem letzten und aus dem aktuellen Jahrzehnt. "Fahr schneller", soufflierten die Red-Bull-Kommandeure Verstappen, "dann hast Du mehr Grip." So gelang es tatsächlich, Hamilton trotz der besseren Reifen in Schlagdistanz von einer halben Sekunde zu halten. Bis eine Runde vor Schluss.

Bei der entscheidenden Attacke fuhr der Niederländer seine übliche Schlenker-Taktik, Hamilton war schon gleichauf, aber zu schnell und nahm den "Notausgang" der Kurve, um nicht durch einen Crash alle Hoffnungen zu verlieren. "Der hat sich beim Bremsen nochmal bewegt", klagte Hamilton über die Blockadepolitik - vergeblich. Nicht sein Tag, nicht sein Wochenende, wohl nicht sein Rennjahr.

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