Süddeutsche Zeitung

Formel 1:Bei Red Bull gilt: Der Schwächste fliegt

Lesezeit: 2 min

Von Philipp Schneider, München

Ach, was hatte Daniil Kwjat geseufzt, nachdem ihn kürzlich der Regen über Hockenheim nach langer Zeit mal wieder auf das Podium eines Formel-1- Rennens gespült hatte. Ach, seufzte Kwjat, seine Karriere sei eine Achterbahn. Schlimme Floskel, klar. Aber es war tatsächlich auch so: Daniil Kwjat, 25, geboren in Ufa, der Hauptstadt der Republik Baschkortostan in Russland, wähnte sich nach Jahren des Auf und Ab im Rennstall von Red Bull und dessen Fahrschule Toro Rosso zum zweiten Mal in seiner Karriere am sogenannten Lifthill.

So nennt der Achterbahnbauer den meist rumpelnden Aufzug, jene lange Auffahrt vor der ersten Abfahrt, bei der die Waggons die nötige Lageenergie erhalten, damit es danach für möglichst lange Zeit wieder abwärts gehen kann.

Kwjat, der vor Jahren schon einmal Pilot eines Red Bull gewesen ist, ehe ihn die Verantwortlichen in einen Toro Rosso verfrachtet hatten, um sein Cockpit dem vier Jahre jüngeren Max Verstappen zu überantworten, hatte nach seinem dritten Platz in Hockenheim auf eine Rück-Beförderung zu Red Bull hoffen dürfen. Dass der Platz neben Verstappen frei werden würde, war absehbar: Der Franzose Pierre Gasly, 23, war die ganze Saison überfordert; in den vergangenen Rennen hatte er dann eine Bewerbung abgegeben für eine weniger anspruchsvolle Stelle - im Regen von Hockenheim wurde er 14. Und zuletzt in Ungarn kam Gasly eine Runde hinter Verstappen ins Ziel. Mal wieder, zum fünften Mal! In einem Auto, in dem Verstappen Rennen gewinnen kann.

Gasly war es nicht, Kwjat ist es nicht

Für Gasly geht es folgerichtig wieder zurück in den Toro Rosso, er befindet sich am Drop. So nennt der Achterbahnbauer den Moment, ab dem die Schwerkraft wirkt. Gaslys Nachfolger wird aber nicht etwa Kwjat, sondern Alexander Albon, dessen Garagennachbar bei Toro Rosso - der Wechsel gilt unverzüglich. Klingt unübersichtlich?

Das täuscht. Er zeigt lediglich, wie knallhart sie bei Red Bull sind. Sportdirektor Helmut Marko und Teamchef Christian Horner handeln nach zwei Maximen: Der Schwächste fliegt. Und: Bringt uns endlich einen Fahrer, der neben Verstappen nicht völlig aus der Rolle fällt. Gasly war es nicht, Kwjat ist es nicht. Vielleicht also Albon? "Das Team wird die nächsten neun Rennen nutzen, um die Leistung von Alex zu bewerten und auf dieser Basis eine Entscheidung zu treffen, wer 2020 neben Max fahren wird", teilte der Rennstall mit, keine stressmindernde Ansage für Albon.

Der Sohn eines Engländers und einer Thailänderin fährt erst seit diesem Jahr in der Formel 1. Er war schon auf dem Sprung in die Formel E, als er kurz vor Saisonstart einen Vertrag erhielt. 23 Jahre alt ist er schon, was auch daran liegt, dass er, als ehemaliger Zögling im Red-Bull-Nachwuchsprogramm, aus diesem vor sieben Jahren wieder rausgeflogen war. In der Formel 1 schlägt er sich gut, nicht überragend: Neunter in Bahrain, Zehnter in China, Achter in Monaco, Sechster in Hockenheim, Zehnter in Ungarn. Ausprobieren kann man ihn ja mal, denken sie sich bei Red Bull. Falls es nicht klappt, ginge es für ihn schnell hoch und rasant wieder runter. Der Achterbahnbauer nennt so ein Element Looping.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2019
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