Süddeutsche Zeitung

Formel 1 in Portugal:Der doppelte Party-Crasher

Lesezeit: 3 min

Während sich alles auf das WM-Duell zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen konzentriert, schnappt ihnen Valtteri Bottas die Pole Position weg. Der Finne hat aus seinen Fehlern zum Saisonstart gelernt.

Von Elmar Brümmer, Portimao

Die Ankündigung des Großen Preises von Portugal sagt schon alles. Wie vor einem großen Boxkampf stellt die Promotion-Abteilung der Formel 1 die unmaskierten Gesichter von Lewis Hamilton und Max Verstappen gegenüber und schreibt dazu schlicht: "Runde drei". Die beiden Rennfahrer sind von Berufs wegen zwar Leichtgewichte, aber es ist schon nach erst zwei WM-Läufen und dem Punktestand von 44:43 klar, dass sie mit der Intensität zweier Schwergewicht-Champs in dieser Saison um den Formel-1-Titel kämpfen. Das Große-Preis-Boxen, verteilt auf zwei Wochenendetappen, mit wechselnden Vorteilen für die jeweiligen Rennwagen.

Am Samstag an der windigen Atlantikküste hatten beide Titelkandidaten das Nachsehen. Um das zu erkennen, brauchte es nach der Qualifikationsstunde am Samstag im Autodromo Internacional do Algarve kein Blick auf die Zeitenliste. Während der sportlich bislang so blasse Mercedes-Adjutant Valtteri Bottas im grellen Nachmittagslicht beinahe verlegen die Interviews des Tagesbesten gab, hatte sich Herausforderer Verstappen in den Schatten eines Werbebanners verkrochen. In sich zusammengesunken kauerte der sonst auf und neben der Strecke so offensive Niederländer da, immer wieder den Kopf schüttelnd, nur die orange Schirmmütze leuchtete aus dem Dunkel.

Rechts von Bottas, in der für ihn so ungewohnten Rolle des zweiten Mannes bei Mercedes, musste Hamilton darauf warten, zu den Geschehnissen auf der Piste befragt zu werden. Die obligatorische Maske und eine große schwarze Sonnenbrille verbargen praktisch jegliche Gesichtsregung. Sieben Tausendstel fehlten dem Briten zur Pole-Position, es wäre die hundertste seiner Karriere gewesen. Verstappen hatte ganz zu Anfang des Top-Ten-Qualifyings eine um 0,4 Sekunden schnellere Zeit als die beiden Mercedes-Rivalen hingelegt, doch die war ihm aberkannt worden, nachdem sein Red-Bull-Honda in einer Kurve mit allen vier Rädern außerhalb der Streckenbegrenzung geraten war.

Nach sehr schwachem Saisonstart dreht Bottas in Portugal auf

Bottas war damit sozusagen der doppelte Party-Crasher. Gerade noch in Imola der Buhmann, nachdem er durch einen Höchstgeschwindigkeits-Unfall mit George Russell einen Millionen-Schrotthaufen hinterlassen hatte, jetzt ein geläuterter Angreifer. Der Finne bangt nach einem extrem schwachen Saisonstart um seine Weiterbeschäftigung beim Weltmeister-Rennstall, Mercedes fürchtet angesichts der Sinn- und Formkrise des 31-Jährigen Nachteile im Duell mit Red Bull, das auch für die lukrative Konstrukteurs-Weltmeisterschaft so wichtig ist. Zumal Verstappens neuer Nebenmann Sergio Perez mit seinem vierten Startplatz in Portimao unterstrichen hat, dass er sich aktiv ins Titelduell einmischen kann und damit auch zu einer wichtigen Alternative in der Renntaktik - Stichwort: Zange - taugt.

Auf der windigen und rutschigen Berg- und Talbahn hat Bottas neue Schubkraft für sein Selbstvertrauen bekommen. Aber noch fährt der Finne weiter auf Bewährung. "Die Qualifikation war bislang mein Schwachpunkt. Es ist klar, was jetzt das Ziel sein muss", sagte er über seine Erwartung für das Rennen, das zum eigentlichen Befreiungsschlag werden soll: "Ich habe meine Lektionen nach Imola gelernt." Beobachter bescheinigen Bottas nach den Aufregungen und Abwertungen der letzten Wochen beinahe das Auftreten eines Zen-Mönchs.

Das direkte und indirekte Duell zwischen Hamilton und Verstappen wird wohl über die ausstehenden 20 Rennen anhalten, soviel Druck wie im aktuellen Ausscheidungsfahren der Generationen hatte der 36 Jahre alte Hamilton noch nie in einem Titelkampf. Im Prinzip mag er das, auf Augenhöhe mit den anderen zu kämpfen, und wie jetzt technisch sogar leicht im Nachteil zu sein. Der 13 Jahre jüngere Verstappen, der sich außerhalb des Cockpits nicht anmerken lässt, wie sehr ihn Hamilton ignoriert, versucht es mit einer nonchalanten Ansage: "Ich freue mich sehr, auf das, was da noch kommt. Wir müssen nur fokussiert bleiben. Es ist so eng zwischen uns und Mercedes, dass man wirklich jedes Mal aufs Neue das Beste aus dem Auto herausholen muss, um einen Unterschied zu machen."

Verbal war der Niederländer schon mal aggressiver, er versucht sich jetzt auszubalancieren. Die Aussagen mildern den Ehrgeiz aber nicht wirklich ab. "Träumen bringt dich nirgendwo hin", sagt er über seine Aussichten im Titelkampf. Über das Ziel, auf dass er seit dem Kleinkindalter getrimmt wird, will er öffentlich nicht nachdenken: "Ich bin nicht dumm. Ich weiß, dass man eigentlich keinen Fehler machen darf, vor allem nicht in einer Meisterschaft, die so eng ist." Er wolle niemanden im Team unnötig unter Druck setzen, denn: "Wir wissen, was wir zu tun haben. Ich ziehe es vor, ganz still zu sein. Ich habe es nicht nötig, irgendetwas hochzujubeln."

" Ich genieße diesen Kampf, den wir gerade führen", sagt Hamilton

Auch darin taugt der große Gegner - zumindest gelegentlich - zum Vorbild. Ganz nebenbei verriet er in Portimao in einem harmlosen Dialog über Reifentests, dass er die ihm sonst so verhasste Fronarbeit diesmal gern absolviert habe: "Ich plane, auch im nächsten Jahr in der Formel 1 zu sein und möchte dabei helfen, bessere Reifen zu bekommen." Nachdem sich seine jüngste Vertragsverlängerung so lange über den Winter hingezogen hatte, dass bis kurz vor dem Saisonstart über ein Karriereende spekuliert werden musste, unterschrieb er schließlich einen Ein-Jahres-Kontrakt. Wie lange seine Zukunftsplanung reicht, vermochte er in Portugal nicht zu sagen: "Ich bin ziemlich spontan, also kann sich das immer ändern. Ich genieße diesen Kampf, den wir gerade führen. Es wird immer spannender, das ist eine noch größere Herausforderung."

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