Süddeutsche Zeitung

Formel 1:"Ich mach' mein Ding, er seins"

Lesezeit: 3 min

Die Haas-Piloten Mick Schumacher und Nikita Masepin bilden das wohl explosivste Fahrerduo im Feld. Rücksichtslos loten beide in den Rennen ihre Grenzen aus - und geraten immer wieder aneinander.

Von Elmar Brümmer, Spielberg

Der neue Sponsor von Haas-Ferrari, ein Sonnenbrillenhersteller, hat sich in der Formel 1 mit der hawaiianischen Grußformel "Aloha" vorgestellt, das bedeutet im Pazifik so viel wie Zuneigung. Was vor dem Großen Preis der Steiermark ein hübscher Kontrast ist zur Stimmung im Rennstall. Mick Schumacher und Nikita Dmitrijewitsch Masepin bilden das jüngste - und vielleicht explosivste - Fahrerduo im Feld. Die beiden sind jetzt zweimal in Serie mit ihren Rennwagen aneinandergeraten, zweimal zum Nachteil des Deutschen, der im Ziel aber jeweils der Besserplatzierte war. Der Haussegen hängt trotzdem schief. Schumacher reicht es: "Sowas muss nicht sein, aber das ist wahrscheinlich sein Stil. Ich mach' mein Ding, er seins. Im Endeffekt müssen wir alle mal die Ellbogen ausfahren." Er sagt das sehr ruhig, aber er hat sich positioniert damit.

Masepin und Schumacher sind 22 Jahre jung, doch das ist so ungefähr das einzige, was die beiden verbindet. Schumacher gehört zur Ferrari-Akademie, deshalb fährt er für das Formel-1-Schlusslicht. Masepin reist auf dem Ticket seines Vaters - der Oligarch ist mit seinem Düngemittel-Imperium der Hauptsponsor des eher klammen Rennstalls. Dementsprechend sicher fühlt sich der Sohn, der schon in den Nachwuchsformeln rüde zu Werke ging. Im Vorjahr in der Formel 2 wurde er nur Fünfter hinter Champion Schumacher. In der Formel 1 gibt es kaum einen Piloten, der nicht schon über seine unberechenbare Fahrweise geklagt hätte.

Als Schumacher in Baku bei Tempo 320 zum Überholen ansetzte, hatte Masepin mit der Lenkung kurz zur Seite gezuckt, was als übles Foul gilt. Der Teamkollege konnte gerade noch einen Auffahrunfall mit unkalkulierbaren Folgen verhindern, fluchte fassungslos über Boxenfunk: "Will er uns umbringen?" Masepin musste sich entschuldigen, fügte aber an, das habe er nur getan, weil "Mick so verärgert war". Dann ging der Mann mit der zum Kamm aufgestellten Frisur gleich wieder in die Offensive: "Ich werde aber auch in Zukunft keinem Fahrer das Leben leichtmachen. Dass kann auch Mick nicht von mir erwarten." Und rumms, zwang er den Konkurrenten gleich zu Beginn des nächsten Rennens in Le Castellet von der Piste.

Vermutlich gehören solche Manöver zum Erwachsenwerden in der Formel 1. Die aktuellen Rookies haben den Nachteil, dass es praktisch kaum Testfahrten gibt, deshalb müssen sie die persönlichen Grenzen in den Rennen austesten. So erklärt auch Masepin seine Rücksichtslosigkeiten: "Wir sind zwei junge Fahrer, die ans Limit gehen. Solange wir dabei die Autos in einem Stück zurückbringen, ist es aus meiner Sicht in Ordnung." Yuki Tsunoda, 21, hat schon ein paar Mal Schrott produziert und gute Platzierungen weggeworfen. Der Japaner gilt als Jahrhunderttalent, hat auch gleich im allerersten Rennen gepunktet. Mit dem AlphaTauri-Honda hat er gegenüber den Haas-Piloten auch ein starkes Auto, doch ihm fehlt es an Konstanz auf dem schmalen Grat zwischen Mut und Übermut.

"Wir blähen das hier ein wenig zu sehr auf", sagt Haas-Teamchef Günther Steiner

Masepin war im ersten Saisondrittel überfordert mit so ziemlich allem, während Schumacher einen eigenen Plan verfolgt: Fahren, lernen, ins Ziel kommen. Bislang geht das mit einer Ankunftsquote von 100 Prozent auf. Zuletzt in Frankreich schaffte er es sogar in die zweite Qualifikationsrunde und auf Rang 15, was mit einem unterlegenen Auto ein starkes Stück ist. Auch in den Rennen kämpfte er immer wieder mit etablierten Fahrern anderer Teams, er steht an der Schwelle zum nächsten Schritt. Für Masepin hingegen ist einzig Schumacher der Maßstab, nur auf ihn scheint er fokussiert zu sein: "Wenn es eine Chance gibt, dann schnappe ich sie mir. Ich finde das auch richtig, denn so viele Gelegenheiten bekommt man so weit hinten nicht."

Teamchef Günther Steiner hält sich bisher stark zurück. Er hat ein paar Jahre Dauerzoff mit dem Fahrerduo Romain Grosjean und Kevin Magnussen hinter sich. Außerdem muss der Manager natürlich Papa Masepin bei Laune halten, kein leichter Balanceakt. Mit seinen beiden Schützlingen hat er bereits vor Wochen ein klärendes Gespräch geführt, in dem er sie vor einem gewarnt hat: Wehe, ihr werft euch gegenseitig aus dem Rennen! Die Situation in Frankreich, die Schumacher so aufgeregt hat, sieht der Südtiroler als hart, aber nicht unfair an: "Ich glaube, wir blähen das hier ein wenig zu sehr auf. Wenn das Manöver gegen einen anderen Fahrer passiert wäre, hätte es nicht so viel Aufsehen erregt. Die beiden sind jung, haben ihr Ego, und sie wollen Stärke beweisen. Aber wenigstens haben sie ein Ziel."

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