Süddeutsche Zeitung

Formel 1 in Portugal:Hamilton setzt den Konter

Lesezeit: 5 min

Im dritten Rennen der Saison lässt der Mercedes-Pilot seinen WM-Rivalen Verstappen hinter sich und siegt in Portimao. Vettel fährt fehlerfrei, Mick Schumacher gewinnt sein erstes ordentliches F1-Duell.

Von Philipp Schneider

Ach, dieser Bottas. Immer dann, wenn ihn die Rennsportwelt mal wieder so gut wie abgeschrieben hat und sämtliche Wetten über seine Zukunft deshalb ins Leere laufen, weil sich niemand mehr findet, der auf den introvertierten Finnen setzen mag, dann legt er überraschend die Axt an. In früheren Jahren kam er aus der Winterpause, die sein Teamkollege Lewis Hamilton wieder einmal mit dem nächsten WM-Pokal verbracht hatte, mit einem Dreitagebart. Er sah aus wie ein ungebändigter Holzfäller. Und als er dann gleich zum Auftakt Rennen gewann, da machte die Nachricht die Runde, dieser Bottas sei ja wohl der beste Bottas aller Zeiten, weswegen er nun mit Hamilton um den Titel kämpfen werde.

Vom besten Valtteri Bottas aller Zeiten spricht im Jahr 2021 keiner. Aber dass er sich nach seinem völlig verkorksten Rennwochenende in Imola, wo er an einer millionenschweren Karambolage mit George Russell beteiligt war, in Portimao zum Start vor Teamkollege Hamilton katapultierte, das durfte man durchaus als Comeback des hartnäckigsten Bottas aller Zeiten begreifen. Nachgesessen hatte er dafür. Reifen getestet. Und ein Wochenende in der Rennwagenfabrik in England verbracht.

Und nun aber: Der Renntag. Die 20. Runde. Das rennentscheidende Manöver. Bottas führt das Feld an, aber auf der Start- und Zielgeraden von Portimao rast von hinten Hamilton heran. Er ist klar schneller, stellt zusätzlich noch den Heckflügel flach, was in der Formel 1 das Privileg des dicht aufgefahrenen Verfolgers ist. Theoretisch hätte Mercedes eine Stallorder verhängen können, um den eigenen Titelkandidaten ohne Karbon-Schaden vorbeizuschleusen an Bottas. Aber nichts da! Bottas zieht durch. Hamilton schert aus, setzt sich am Ende der Gerade um Haaresbreite vor Bottas. Entschieden ist das Rennen. Und die lange Karriere von Bottas im Team Mercedes um eine Enttäuschung reicher.

Als die Autos dann nach 66 Runden das Ziel überfuhren in Portugal, da lag zwischen Hamilton und dem drittplatzierten Bottas der Red Bull von Max Verstappen. Drei Rennen sind inzwischen gefahren in dieser Formel-1-Saison, zweimal hat Hamilton gewonnen, einmal Verstappen. Acht Punkte liegt der siebenmalige Weltmeister vor dem Niederländer. Es wird lange Zeit spannend bleiben in diesem Jahr, das zeichnet sich immer mehr ab. Was ebenfalls klar ist: Weder Bottas noch Verstappens Teamkollege Sergio Perez, der Vierter wurde, werden eingreifen können in den Titelkampf ihrer Kollegen.

"Das war so ein hartes Rennen, körperlich und mental. Es wäre sehr leicht gewesen, Fehler zu machen. Ich muss mich jetzt erstmal zwei, drei Tage erholen", sagte Hamilton später.

Und die deutschen Fahrer? Sebastian Vettel, bei dem es "ein bisschen Klick gemacht" hatte im Aston Martin, nachdem er sich am Samstag einen erfreulichen zehnten Platz in der Qualifikation geschnappt hatte, fuhr ein unaufgeregtes, fehlerfreies Rennen und wurde 13. Mick Schumacher fuhr bis kurz vor Schluss mal wieder ausschließlich gegen sich selbst. Ihm fehlt ja nach wie vor eine Referenz in der Formel 1 - er navigiert im Nirgendwo, wie ein Seefahrer, der den Nordstern vor lauter Wolken nicht sehen kann.

Weil sein Teamkollege Nikita Masepin nicht übertrieben mit Talent beschenkt wurde (und am Sonntag auch mal wieder schlechte Manieren bewies, weil er bei Überrundungen nicht ordentlich Platz machte), weil überdies Schumachers Haas einfach zu langsam ist für ein Duell mit dem Drittletzten Nicholas Latifi im Williams. Theoretisch. Aber diesmal machte Schumacher Latifi mürbe, er klebte so lange an dessen Heck, bis sich Latifi verbremste. Und so gewann Mick Schumacher, 22, im dritten Formel-1-Rennen seiner Karriere sein erstes relevantes Duell - und wurde Drittletzter. Hallelujah!

"Zum Verrücktwerden", sei das Gefühl gewesen, lange Zeit nicht an Latifi vorbeizukommen, sagte Schumacher am Sky-Mikrofon. Und dann ließ er noch einen wunderbaren Satz folgen: "Ich habe so viel Pace mehr in mir!"

Die Ampeln gingen aus in Portimao; die zwei Silberpfeile wurden nach dem Start gejagt von den Red Bulls von Max Verstappen und Sergio Perez in den Startbuchten drei und vier.

Vor 14 Tagen in Imola hatte sich Verstappen gleich nach dem Start von Position drei in Führung geschossen und später das Rennen gewonnen. Aber da hatte es geregnet. In Portugal blieb es trocken, aber der Wind zog in Böen vom Atlantik herüber. Verstappen startete wieder schnell, diesmal aber setzt sich Hamilton als Puffer sofort vor ihn.

Weniger gut kam Perez vom Fleck, der seinen vierten Platz an Carlos Sainz im Ferrari verlor, der allerdings auf den weichsten, schnelleren Reifen rollte. Auf sich gestellt war nun zunächst Verstappen hinter den zwei Mercedes. Nach genau einer Runde rammte Kimi Räikkönen seinem Alfa Romeo auf der Start- und Zielgeraden ohne Not ins Heck seines Teamkollegen Antonio Giovinazzi - der Frontflügel war futsch, das Safety Car rückte aus.

Beim fliegenden Wiederstart nach sechs Runden schlug Verstappen zurück. Hamilton, der ja während der verlangsamten Fahrt hinter dem Safety Car Bottas nicht überholen durfte, stand nach Freigabe des Rennens sein Teamkollege im Weg. "Valtteri hat sehr lange gewartet, ehe er losgefahren ist. Clever von ihm. Lewis war etwas überrascht", lobte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Verstappen saugte sich fest im Windschatten des siebenmaligen Weltmeisters - und überholte dann schlau und überlegt am Ende der langen Geraden. Perez wiederum schaffte es zwar vorbei an Sainz, kam danach aber leicht von der Strecke ab und fiel wieder zurück.

Und dann bekam Verstappen einen Vorgeschmack darauf, wie eng die Spitze in diesem Jahr beieinanderliegt. Eine kleine Unsauberkeit eingangs der langen Gerade nutzte Hamilton sogleich zum Überholmanöver - nach elf Runden kreisten die Silberpfeile wieder gemeinsam an der Spitze. Verstappen beklagte im Funk die minderwertige Kraft seines Autos, er sei eine "sitting duck" auf der Gerade, also: leichte Beute.

Bottas erhielt vom Kommandostand wiederholt die Nachricht, seine Bremsen seien zu heiß. So etwas kann passieren, wenn einer als Führender hinter dem Safety Car rollt und viel Zeit damit verbringt, mit Stop-and-Go die Reifen warm zu halten. Hamilton war klar schneller, in Runde 20 überholte er Bottas bei einem knallharten Manöver, das nun wirklich nicht so aussah, als weiche Bottas freiwillig.

Seine Reifen seien nun heiß gelaufen, klagte Hamilton; ob Trick oder Wahrheit, das ließ sich schlecht sagen. Das Rennen kontrollieren konnte er nun ganz locker von der Spitze, mit Bottas als Puffer hinter sich, der brav wieder in die Rolle des Helferchens schlüpfte. Verstappen saß nun in der Falle: An Bottas vorbei kam er nicht - und vorne zog Hamilton davon.

Ging vielleicht etwas in der Boxengasse? Das fragten sich Red Bull und Verstappen. Sehr spät, nach 36 von 66 Runden, aber als erster Fahrer aus dem Führungsquartett zuckte der Niederländer raus in die Spur zu seiner Garage. Eine Runde später konterte Mercedes, auch Bottas tauschte die Gummis, blieb danach zunächst vorne. Verstappen aber griff auf seinen eine Runde länger aufgewärmten Reifen an - und zog vorbei. Mit einem Vorsprung von drei Sekunden auf Verstappen startete Hamilton, der nun ebenfalls gehalten hatte, in die Schlussphase des Rennens.

Verstappen kam nicht mehr ran an Hamilton, Bottas nicht mehr an Verstappen. Letztere hielten kurz vor Schluss für eine neuen Satz Reifen, um sich die schnellste Runde zu holen, für die es einen Extrapunkt gibt. Weil Verstappen die Streckenbegrenzung überfuhr, wurde ihm seine Zeit aberkannt.

Den Extrapunkt holte sich aus Hamiltons Sicht einer der nützlichsten Bottas' aller Zeiten.

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