Süddeutsche Zeitung

Fifa-Strafe:So will Real Madrid die Transfersperre rückgängig machen

Lesezeit: 3 min

Von Oliver Meiler

Absurd, alles nur absurd! Wahrscheinlich hat man sich in der Vereinsleitung von Real Madrid auf die genaue Wortwahl geeinigt. Das Adjektiv "absurd" jedenfalls fiel in den vergangenen Tagen, seit der Bekanntgabe einer einjährigen Transfersperre wegen Regelverstößen bei der Verpflichtung von Nachwuchsspielern, so oft, dass ein Zufall wohl ausgeschlossen werden darf.

"Es ist absurd", sagte zunächst José Ángel Sánchez, der Generaldirektor von Real, der nur selten auftritt und nun plötzlich viel redet. "Es ist absurd", sagte auch Zinédine Zidane, Reals neuer Trainer, der ebenfalls wenig redet und nur selten Kraftadjektive gebraucht. Von "Absurditäten" berichtete auch die geneigte Madrider Sportpresse. Und tatsächlich gibt es im Urteil der Fifa ein paar Kuriositäten, zumindest auf den ersten Blick.

Ausgerechnet zwei Söhne des Cheftrainers

Noch ist etliches unklar, zumindest der Öffentlichkeit. Der Fußball-Weltverband hat jedenfalls die Karteikarten von 39 jungen und sehr jungen Spielern geprüft, die Real Madrid in den vergangenen zehn Jahren unter Vertrag genommen hat. Von diesen 39 blieben am Ende acht hängen, die der Fifa als so offensichtlich unregel- mäßig erschienen, dass sie den Klub bestrafte.

Zu diesen acht Spielern zählen unter anderem der jüngere Bruder des argentinischen Profis Ezequiel Garay (früher Real, nun Zenit St. Petersburg), Benjamín Garay, sowie ausgerechnet zwei Söhne des Cheftrainers, von Zinédine Zidane also: Enzo Zidane, 20 Jahre, Rückennummer 10, ist heute Mittelfeldspieler und Kapitän der Reservemannschaft Real Madrid Castilla; Luca Zidane, 17, ist Torhüter von Reals A-Jugend. Und "Zizou" hat noch zwei weitere, jüngere und offenbar ebenfalls talentierte Söhne, die in den Jugendabteilungen des königlichen Klubs spielen: Theo und Elyaz. Sie aber sind in Spanien geboren, was ihren Fall von jenem der älteren Brüder unterscheidet.

Enzo und Luca kamen in Frankreich zur Welt. Als Zidane 2001 von Juventus zu Real wechselte, waren sie sechs und drei Jahre alt. Diese Zahlen muss man im Kopf behalten, um die angebliche Absurdität zu verstehen. 2004 nahm Real Enzo und Luca in seine Akademie auf, mit neun und sechs also. Um nicht aufzufallen und sich des Verdachts der Bevorzugung zu entziehen, entschied man sich bei den Zidanes, dass die beiden Söhne unter dem weniger auffälligen Familiennamen der Mutter auflaufen würden: Fernández. Véronique Fernández, eine ehemalige Balletttänzerin, die Zidane zu seiner Zeit in Cannes kennenlernte, ist die Tochter spanischer Auswanderer, aus Andalusien. Sie wuchs in Frankreich auf.

Nun kann es sein, dass die Fifa Real vorwirft, es habe die Söhne Zidanes vielmehr deshalb unter falschem Namen registriert, um den Verband zu täuschen und die Regeln zu umgehen. Im Paragrafen 19 zum Schutz Minderjähriger heißt es, dass ein Spieler aus dem europäischen Ausland nur dann unter Vertrag genommen werden dürfe, wenn er mindestens 16 sei und seine Eltern am neuen Wohnort einen Job hätten, der nichts mit dem Fußball zu tun habe. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass begabte Jungfußballer von ihren Eltern getrennt werden und dass Handel getrieben wird mit den Kindern.

Wendet man die Regeln aus dem Paragrafen 19 strikt auf den Fall der Familie Zidane an, dann hätten Enzo und Luca, die ja in Frankreichs geboren wurden, nicht bei Real registriert werden dürfen, weil ihr Vater schließlich mit Fußball seinen Lebensunterhalt verdiente - und das ziemlich gut, als Galác tico immerhin. Wenn die Fifa tatsächlich so argumentiert haben sollte, was aber bis heute nicht klar ist, dann wäre das tatsächlich grotesk. Das würde dann ja heißen, dass Zinédine Zidane in der Deutung der Fifa 2001 nur deshalb nach Madrid umgezogen ist, damit seine Söhne Enzo und Luca, damals sechs und drei, dort einmal Fußballprofis werden könnten.

Real-Generaldirektor Sánchez glaubt, die Fifa begehe da einen bedauerlichen Fehler, den sie sicher schnell einsehen werde. Und er versicherte, dass alle anderen Fälle, die man Real vorwerfe, absolut identisch seien mit jenen von Zidanes Söhnen, wenn auch mit weniger prominenten Namen.

Real wehrt sich gegen Vergleiche mit Barcelona

Konkreter wird Sánchez nicht, was die Beurteilung der Gesamtsachlage etwas erschwert. Man soll ihm einfach glauben, dass alles ohne Fundament sei, das werde der Rekurs schon zeigen, die Sperre sei dann schnell hinfällig; das ist offenbar die Taktik. Man wehrt sich auch dagegen, mit dem FC Barcelona verglichen zu werden, das zu Recht bestraft worden sei und seine einjährige Sperre wegen Regelverstößen in der Nachwuchsarbeit erst vor einigen Wochen verbüßt hat. Die Fälle, lässt der Rivale aus Madrid ausrichten, hätten rein gar nichts gemein.

Die Kommentare aus Barcelona sind spärlich und leise. Häme, wie sie in solchen Fällen in Bächen zu fließen pflegt, ist fast keine da. In Barcelona ist man froh, dass es vorbei ist. Nach Ablauf der Sperrfrist konnte man nun 77 Spieler melden, die davor lange Zeit auf Nebenplätze verbannt waren. Einer von ihnen ist der Südkoreaner Lee Seung-Woo, nunmehr 18. Sie nennen ihn den "asiatischen Messi", er gilt als Großtalent. In der Heimat ist er schon ein Idol. Fast drei Jahre durfte Lee keine Pflichtspiele bestreiten, am Wochenende war er nun zum ersten Mal wieder dabei, mit der A-Jugend des FC Barcelona.

Viel koreanische Presse war da, viel Publikum. Das Spiel endete 0:0. Von Lee heißt es, seine Klasse sei fast gar nicht aufgeblitzt. Es fehle ihm an Wettkampfpraxis. Real Madrid gewann unterdessen sein zweites Spiel unter Trainer Zinédine Zidane 5:1 gegen Sporting Gijon.

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Quelle:
SZ vom 18.01.2016
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