Süddeutsche Zeitung

Fifa-Präsident:Infantino muss gehen

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Die Intrige zum Ausverkauf der Fifa muss zum Ende der Präsidentschaft von Gianni Infantino führen. Nichts ist für den Fußball wichtiger.

Kommentar von Thomas Kistner

Als Gianni Infantino im Februar 2016 den Thron des Fußball-Dachverbandes bestieg, waren dessen Spitzenfunktionäre gerade reihenweise von FBI und Staatsanwälten abgeführt worden. Die Sportwelt war sich einig darin, dass die Fifa nicht mehr tiefer fallen könne. Das war ein gewaltiger Irrtum.

Infantinos Amtszeit ist noch ziemlich kurz, sie lässt aber schon heute die Skandal-Ära seines Vorgängers Sepp Blatter wie ein Kindermärchen aussehen. Mit einer Skrupellosigkeit, die hartgesottenste Szenekenner sprachlos macht, hat sich der Schweiz-Italiener den Weltverband untertan gemacht; er hat ergebene Leute an die Schalthebel der Fifa bugsiert und alle renommierten kritischen Kräfte beseitigt. Vorneweg zwei unabhängige Chefethiker, die 2015 seinen Vorgänger Blatter zu Fall gebracht hatten - und auch gleich seinen damaligen Chef, den Uefa-Präsidenten Michel Platini. Jetzt übt sich eine Verwaltungsjuristin aus Kolumbien als Chefermittlerin, sie zeichnet sich durch mininale Tätigkeiten sowie durch freundschaftliche Bande zu kolumbianischen Spitzen-Fußballfunktionären aus, die selbst Ärger mit der Justiz haben.

Jetzt aber hat Infantino den Bogen überspannt. Bei seinem Amtsantritt waren ja auch die Fifa-Regeln reformiert und insbesondere die Befugnisse des Präsidenten publikumswirksam zurückgeschnitten worden; seither sollen die Geschäfte vom Generalsekretariat geführt werden. Dort aber sitzt heute Fatma Samoura. Die Senegalesin hat jahrzehntelang für die UN in Afrika gearbeitet und bis heute keine Handschrift in dieser merkwürdigen Fußballwelt hinterlassen. Sie kennt sich schlicht nicht aus - und das ist offenkundig gut so. Denn so kann Infantino den Laden ganz alleine schmeißen, im Verbund mit seinen Getreuen.

Jetzt zeigt sich, dass er über ein Jahr hinweg all seine Gremien hintergangen und mit einem Konsortium, dessen Hinterleute ihm nahe stehen, den Ausverkauf quasi aller Fifa-Rechte verhandelt hat. Dass zu den Hintergrundfiguren nach allen Anzeichen der saudische Kronprinz zählt, dessen Regime mittlerweile ein harter Boykott am Golf und eine Journalistenmord-Affäre in Istanbul umwehen, macht die Sache noch heikler.

Infantino will jetzt das Arbeitspapier, an dem er mit einem Investoren-Konsortium rund um den japanischen SoftBank-Konzern und arabische Investoren gebastelt hat, als ein Vorschlag "unter hunderten" herunterspielen. Solche Papiere gäbe es in der Fifa wie Sand am Meer. Tatsächlich? Das wirkt dreist. Den Vorschlag just dieser Investorengruppe - offiziell will sie bis zu 25 Milliarden Dollar für eine reformierte Klub-WM und eine neue Nations League zahlen - hat er ja bereits Mitte März seinem Fifa-Rat präsentiert. Dieser winkte ab, doch zwei Wochen später ließ Infantino von seinen Hausjuristen ein Projekt prüfen, das sich auf 25 Milliarden Dollar summierte und quasi den kompletten Ausverkauf der Fifa-Rechte vorsah. Und noch beim letzten Vorstandstreff am 26. Oktober in Kigali bedrängte der Boss seine Fifa-Räte mit dem Thema - weshalb jetzt sogar eine Taskforce ins Leben gerufen wurde - um die Milliarden-Offerte zu prüfen.

Wieso erzählt die Fifa, das nun vorliegende Term sheet sei ein Papier wie hunderte andere? Es mag modifiziert worden sein, ohne die wesentlichen Inhalte verliert es jedoch jeden Wert für die Investoren. Oder ist die Fifa gerade dabei, hunderte Taskforces einzusetzen, um gleichberechtigt all die hunderte Vorschläge zu prüfen, die angeblich bei ihr eintrudeln?

Immer klarer wird die Erkenntnis, dass der Fußball niemanden weniger vertrauen kann als seinem Frontmann: Infantino. Wer das weiter ignoriert, tut es mit Vorsatz.

Jetzt ist es die Branche, die reagieren muss. Vorneweg die Kontinentalverbände wie die Europa-Union Uefa, aber auch die Ligen und Großklubs wie der FC Bayern, die der Fifa-Boss ja ebenfalls schon (ohne echtes Mandat dafür) in sein Milliardenprojekt mit enormen Geldversprechen einzuwickeln versucht hat. Die Frage, wie die Reaktion der Sportwelt auszusehen hat, ist keine Frage mehr: Infantino muss gehen - nichts ist für den Fußball wichtiger.

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