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Fernseh-Rechte im Fußball:HSV wertvoller als Mainz? "Team Marktwert" spaltet die Liga

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Von Philipp Selldorf, Köln

Das Wort Traditionsverein hört sich zunächst mal behaglich an. Man geht ja auch gern in den Traditionsgasthof, der mit Seele und Gemütlichkeit lockt. Jedoch kann es sich auch um eine verlorene Gasthofseele handeln, so dass man dann vor vergilbten Wänden eine Speisekarte studiert, auf der zu Recht verblichene Schnitzelmodelle verzeichnet sind.

Zweimal hat nicht viel gefehlt, und der Traditionsverein Hamburger SV wäre aus dem geachteten Leben geschieden, das er als Gründungsmitglied der Bundesliga geführt hat. Seine Zugehörigkeit zur ersten Klasse rettete er gegen Greuther Fürth und den Karlsruher SC auf eine Weise, die keine Wissenschaft dieser Welt erklären kann. Der HSV hatte den Abstieg doppelt und dreifach verdient, darüber war sich das Land einig, HSV-Fans inbegriffen.

Aber dass er dem Abstieg mit jeweils unbegreiflichem Glück entkommen ist, das wird trotzdem mehrheitlich gut geheißen im Fußballpublikum. Denn der HSV ist nun mal ein Traditionsgasthof erster Güte, den man nicht missen möchte, auch wenn die Wirtsleute schon seit Jahren schlecht kochen und ruinös Buch führen.

Tradition und Popularität sollten belohnt werden, heißt es

Nun hat sich der Hamburger SV einer Gruppe von Vereinen angeschlossen, um eine höhere Beteiligung am Profit des nächsten Fernsehvertrages zu erreichen. Es ist gewissermaßen der Mittelstand, der sich da als Lobbyeinheit organisiert hat: Neben dem HSV gehören Werder Bremen, Hertha BSC, der 1. FC Köln, Eintracht Frankfurt und der VfB Stuttgart zur Runde.

Der Firmenname "Team Marktwert" reflektiert den Anspruch, den die Gruppe stellt: Tradition und Popularität - der Marktwert also - sollen belohnt werden, so wie es etwa in Italien, Spanien, England oder Holland längst üblich ist. Bisher haben erste und zweite Liga die Fernseherlöse nach einem simplen Prinzip verteilt: Für jeden gibt es den einheitlichen Grundbetrag, das restliche Drittel wird im Rahmen einer Fünf-Jahres-Tabelle gemäß den sportlichen Erfolgen berechnet. Diese Methodik steht nun zur Debatte, und man kann sicher sein: Es wird eine lebhafte Debatte, weil es um viel Geld geht, aber auch um Themen wie Gerechtigkeit und Moral.

Natürlich ist es moralisch fragwürdig, wenn etwa der HSV meint, er sei mehr wert als zum Beispiel der Ligagenosse Mainz 05 und dürfe deshalb stärker am Fernsehgeld partizipieren. Während die Hamburger jahrelang sportlich versagt haben und lediglich dank der Gaben des Milliardärs Kühne vom Konkurs verschont blieben, haben die Mainzer famose Arbeit geleistet und sich eine solide Existenz geschaffen. Der FSV ist, wie der FC Augsburg, ein Musterfall des gesellschaftlichen Aufstiegs. Allerdings umgibt beide Klubs, so ungerecht ist die Welt, die Aura des Kleinbürgerlichen, während der HSV immer noch eine Art - wenn auch verkrachtes - Großbürgertum verkörpert.

Dass die Mittelständler rund um den HSV allerdings auch einen messbar überlegenen Reiz ausstrahlen, lässt sich aus den Tabellen ablesen, die Zuschauer- und Mitgliederzahlen, Quoten im Bezahlfernsehen und die Resonanz in den sozialen Medien abbilden. Hier sind die alten Klubs aus den großen Städten den Aufsteigern aus den kleineren Gemeinden weit voraus, ganz zu schweigen von den Konzern- und Mäzen-Klubs.

Es bleibt eine Tatsache: Nicht der ständige Europacup-Teilnehmer Leverkusen, sondern sportlich darbende Klubs wie Hamburg, Stuttgart oder Bremen tragen die Popularität der Liga und motivieren die TV-Sender zu höheren Zahlungen. So würde es die Liga dem HSV danken, wenn er sich auch am Ende dieser Saison auf dem Relegationsplatz einfände: Es wäre beste Werbung fürs gemeinsame Produkt.

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SZ vom 02.04.2016
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