Süddeutsche Zeitung

Felix Götze:Tor für Mario

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Aus dem Stadion von Sebastian Fischer, München

Der Mann, der den entscheidenden Torschützen namens Götze eingewechselt hatte, war sich seiner Tat zunächst nicht bewusst: "Ich habe gar nicht gesehen, wer das Tor geschossen hat", sagte Trainer Manuel Baum, als er über das 1:1 seines FC Augsburg beim FC Bayern sprach - "dann hab ich so einen hochroten Kopf in einer Traube gesehen, da wusste ich: Der Felix hat das Tor geschossen."

Jokertor, Götze - die Vergleiche mit der jüngeren Familien- und Fußballhistorie lagen am Dienstagabend auf der Hand. Doch es gehört zu den bislang unbekannten, vielfältigen Qualitäten von Felix Götze, 20, dass er aufgeregte Fragen nach seinem sechs Jahre älteren Bruder, dem Nationalspieler und Weltmeister, unaufgeregt beantwortet. Ja, Mario habe ihm bereits eine SMS geschrieben, sagte Felix Götze. Und er widmete Mario den Treffer in der 86. Minute, als er den Ball mit der Brust über die Linie gedrückt hatte: "Ich wäre nicht hier ohne ihn, ohne seine Tipps. Das Tor ist für ihn." Doch umso mehr Menschen an diesem Abend über Felix Götze sprachen, umso hinfälliger wurden die Vergleiche.

Felix Götze, Position Verteidiger, ist im Sommer von München nach Augsburg gewechselt, im vergangenen Jahr gehörte er zum Profikader des FC Bayern, deshalb konnten ihn nicht nur die Augsburger beschreiben. Torwart Manuel Neuer, dessen zögerliches Herauslaufen nach einem Eckball den Ausgleich erst ermöglicht hatte, sagte: "Ein sehr positiver Spieler, der versucht, immer viel zu lernen." Thomas Müller lobte Götzes Physis und sagte: "Er hat dann so ein bisschen entschuldigend geschaut, das muss er nicht."

Vier Jahre lang hat Felix Götze in München gespielt, von der U17 an, in der vergangenen Saison kam er 19 Mal als Innenverteidiger oder Rechtsverteidiger für die U23 in der Regionalliga Bayern zum Einsatz. Als er im Sommer nach Augsburg wechselte, waren sie beim FCA offenkundig positiv überrascht, wie gut er auf Anhieb mithielt. Manuel Baum sagte während der Vorbereitung einmal grinsend über Felix: "Seine Brüder sind ja beide eher filigrane Offensivspieler" - Fabian Götze, 28, spielte 2013 für Unterhaching unter dem Trainer Baum. Felix dagegen könne "auch dazwischenhauen". Gegen Gladbach am zweiten Spieltag wurde er erstmals im defensiven Mittelfeld eingewechselt, auch die 29 Minuten in seinem zweiten Bundesligaspiel in München absolvierte er als Sechser vor der Viererkette. Innenverteidiger Martin Hinteregger sprach gar von einem "überragenden Gefühl", wenn Götze eingewechselt werde: "Weil er Ruhe ausstrahlt."

Nun sind solche Lobeshymnen für einen jungen Fußballer natürlich schön, aber auch riskant, weshalb Baum hinzufügte: "Jetzt muss er erst mal runterkommen." Baum, immerhin ein studierter Pädagoge, wirkte allerdings nicht so, als würde er sich außerordentlich sorgen. Bedenkenlos sprach er über den roten Kopf des Torschützen, über den Götze selbst dann natürlich auch reden musste: "Das ist leider schon immer so gewesen, dass ich bei jeder körperlichen Anstrengung rot anlaufe", sagte er. Ampel oder Tomate, das seien deshalb seine Spitznamen. Er lachte.

Es gibt ein paar Szenen in der Dokumentation "Being Mario Götze" für den Sender Dazn, in denen sind Mario und Felix gemeinsam zu sehen: bei der Physiotherapie, in der Kältekammer, beim Fußball-Tennis. Die ganze Doku handelt von den Folgen des Tores im WM-Finale 2014, vom Hype, vom Druck. Mario Götze sagt dann über die Karriere seines Bruders: Es sei wichtig, "dass er geduldig ist und nicht von jetzt auf gleich alles Mögliche erwartet". Bevor Felix Götze das Stadion in München verließ, wurde er zu seinen Erwartungen nach diesem Bundesligator, seinem ersten, befragt. Er sagte, er könne gar nicht glücklicher sein. Er erwarte eher wenig: "So viele Minuten spielen, wie es geht", das wünsche er sich. Das klang nicht übertrieben.

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Quelle:
SZ vom 27.09.2018
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