Süddeutsche Zeitung

Ex-FCB-Präsident Willi O. Hoffmann:Der Bayern-Kini

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Kraftlackl, Feierbiest, Finanztrickser und Erfinder des Mia san mia: Willi O. Hoffmann führte den FC Bayern mit Bart, Bauch und Bier aus der Versenkung zurück an die Weltspitze. Bis er über seine Firmengeflechte stolperte. Ein Nachruf.

Von Johannes Schnitzler, München

Zu den Anekdoten, die nun noch einmal über Willi O. Hofmann erzählt werden, gehört jene von einem Europapokalabend des FC Bayern in Belgrad. Die Mannschaft saß bei Schnee und Eis am Flughafen fest, konnte aber nicht abheben (was sich einige Jahrzehnte später in Berlin wiederholen und zu mittelschweren Verwerfungen zwischen dem pikierten Weltklub und angeblich respektlosen Hauptstadt-Bürokraten führen sollte). Der Grund: Die Maschine hatte nicht genügend Treibstoff im Tank. Um doch noch nach Hause zu kommen, ließ Hoffmann unter den Passgieren kurzerhand sammeln und Sprit nachkaufen.

Die andere Anekdote, die man kennen muss, ist die, wie Hoffmann zu seinem Spitznamen kam: Ein Reporter fragte den für seine Liebe zum Schaumwein bekannten Präsidenten des FC Bayern, ob er ihm wohl böse sei, wenn er, der Reporter, ihn, den Präsidenten, in seinem nächsten Artikel "Champagner-Willi" nennen würde. So ändern sich die Zeiten: Heute würde der Reporter nicht mehr fragen, und der Präsident wäre nicht mehr zu besänftigen. Hoffmann aber war es recht.

"Er wurde in einer Phase Präsident, in der es turbulent zugegangen ist, es herrschte regelrecht Chaos beim FC Bayern", sagte Ehrenpräsident Uli Hoeneß vor zwei Jahren zu Hoffmanns 90. Geburtstag. "Aber er ist ein ungeheuer kreativer Mensch, der sich auch in den größten Sorgen nie etwas anmerken ließ. Er hat den FC Bayern maßgeblich auf den Weg gebracht, damit er heute dieser Klub ist, den wir alle kennen."

Hoffmann war die Symbiose von Klassik, Renaissance und Barock. Kulturhistorisch mag das schwer zu belegen sein, aber die Vereinsgeschichte lässt keinen Zweifel daran, dass Hoffmann, 1930 in Sendling geboren, als Klubpräsident von 1979 bis 1985 die "Mia san mia"- und "Hund sans scho"-Haftigkeit des FC Bayern definierte wie kein Zweiter.

Mit Hoffmann gab es für den seit 1974 auf die nächste Meisterschaft wartenden Verein wieder Anlässe zu feiern

Das "O." in seinem Namen, das dem burschikosen "Willi" etwas beinahe Poetisches verlieh, stand für Otto - eine Hommage seiner Eltern an den Prinzen Otto, den späteren König von Griechenland. Dessen Vater, der bayerische König Ludwig I., verehrte Griechenland so sehr, dass er München sein bis heute prägendes klassizistisches Kleid schneidern ließ. Das "O." passt aber auch als Ausruf des Erstaunens über eine Karriere, die von Erfolgen ebenso durchzogen war wie von Skandalen, die Hoffmann 1985 zum Rücktritt zwangen.

Mit 28 trat der Sohn eines Werkzeugmachers dem Verein bei. Vom Schriftführer avancierte er 1962 zum Schatzmeister und erlebte Bundesliga-Aufstieg, Pokalsieg, erste Meisterschaft und Europapokal-Triumphe. Das Geld war knapp, aber die Feiertage reichlich, und Hoffmann galt - auch wenn Louis van Gaal diesen Begriff erst etablierte - als Feierbiest. Übertroffen vielleicht nur vom jungen, wilden Paul Breitner.

Als die Bayern 1973 wieder einmal eine Start-Ziel-Meisterschaft einfuhren und leicht gelangweilt mit Sekt darauf anstießen, meckerte Breitner, dass man "in diesem Scheißverein nicht mal richtig feiern" könne; ein Jahr später wechselte er nach Madrid. Zufall oder nicht: Nach seiner Rückkehr verhalf Breitner Hoffmann ins Präsidentenamt. Der meinungsstarke Spielmacher zettelte eine Palastrevolution an gegen den vom damaligen Präsidenten Wilhelm Neudecker auserkorenen Trainer Max Merkel. Neudecker trat am 24. März 1979 zurück. Sein Nachfolger: Willi O. Hoffmann.

Mit Hoffmann gab es für den seit 1974 auf die nächste Meisterschaft wartenden Verein endlich wieder Anlässe zu feiern. Auf dem Platz übernahmen Breitner und Karl-Heinz-Rummenigge das Kommando, und ein junger Manager namens Uli Hoeneß führte den mit acht Millionen D-Mark verschuldeten Verein in die schwarzen Zahlen. Nach zwei Meisterschaften, zwei DFB-Pokalsiegen und einem europäischen Landesmeister-Finale verkauften die Bayern Rummenigge 1984 zum damaligen Weltrekordpreis von zwölf Millionen Mark nach Mailand - und der eben noch am Rand des Bankrotts taumelnde Klub war plötzlich wieder solvent.

Wenn die Fans sangen "Zieht den Bayern die Lederhosen aus!", dann wedelte Hoffmann umso breiter grinsend mit seinem Gamsbart-Hut

Hoffmann ließ sie machen und inszenierte sich selbst als bärtiger, bauchiger Bayern-Kini. Er soff aus Pokalen, aus Schampusflaschen und aus Maßkrügen. Nach Siegen lud er die Spieler und ihre Frauen in ein Münchner Nobelrestaurant. Und wenn die Fans in Bremen, Hamburg oder Dortmund sangen "Zieht den Bayern die Lederhosen aus!", dann wedelte Hoffmann umso breiter grinsend mit seinem Gamsbart-Hut. Den Lebemann Hoffmann beschreibt vielleicht nichts besser als der Kontrast zu seinem Nachfolger Fritz (kein zweiter Vorname) Scherer. Das Hoffmann'sche Leitbild des bajuwarischen Kraftlackls - seinerzeit reiste der FC Bayern unter dem Slogan "Die Bullen kommen" - malte Scherer dezent, aber konsequent ins kleinere Format um, mehr Naturalismus als Jackson Pollock. Unter Scherer fuhren die Bayern Opel. Mehr grunddeutsche Bodenständigkeit geht kaum.

Hoffmann verbesserte in seiner Amtszeit die Trainingsbedingungen an der Säbener Straße, ließ Plätze und ein Jugendhaus bauen. Privat verstrickte sich der Inhaber einer Steuerkanzlei immer heilloser in dubiose Finanzgeschäfte und Firmenkonstrukte. Er investierte in Hotels und Bauherrenmodelle, gründete Gesellschaften und Unternehmen, hantierte mit Verlustabschreibungen und wollte sogar in den Uran-Abbau einsteigen (was im Sand verlief). Im Juli 1985 meldete der einst so findige Geldbeschaffer Konkurs an, am 9. Oktober legte er sein Präsidentenamt nieder. In den Neunzigern wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, 2003 folgte eine einjährige Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Steuerhinterziehung.

Am Dienstag ist Willi O. Hoffmann, Vater von fünf Kindern, im Alter von 92 Jahren in München gestorben. Er war der Klub. Der Klub ist er.

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