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FC Bayern nach Sieg gegen Hannover:Freigeist Müller findet sein Glück

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Ein Treffer mit dem Oberarm, einen per Stechschritt: Bayern-Stürmer Thomas Müller betreibt im DFB-Pokal gegen Hannover 96 sein persönliches Saison-Coming-out und schießt endlich wieder mal Tore nach Müller-Art. Dabei hatte der Anarchist mit dem Feintuning unter Trainer Guardiola bislang Probleme.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Franck Ribéry hatte sich Geleitschutz gesucht, um auf dem Weg in den Mannschaftsbus keine lästigen Fragen beantworten zu müssen. Der kleine Franzose versteckte sich hinter einer massigen Menschenwand, die allein aus dem Leib von Uli Hoeneß bestand. "Isch bin wischtisch, tut mir leid", rief Ribéry kichernd und meinte damit: Er muss jetzt mit dem Präsidenten reden, für andere Leute hat er wirklich keine Zeit.

Was sollte er auch sagen? 4:1 (2:1) hatten die Bayern diesmal gegen Hannover 96 gewonnen - und obwohl Ribéry nach seiner Einwechslung sogar den letzten Bayern-Treffer (78. Minute) erzielte, war er an diesem Abend ausnahmsweise keiner der Protagonisten. Ehrlich gesagt: Die Bayern brauchten ihren besten Offensivmann nicht, um lockerleicht ins Achtelfinale des DFB-Pokals einzuziehen; es reichte eine durcheinander gewürfelte 1A-Elf.

Längst ist zur Gewohnheit geworden, dass die Triple-Gewinner aus München beinahe jeden Gegner zertrampeln wie eine Elefantenherde eine Ameisenkolonie. Europas Fußballer der vergangenen Saison darf da ruhig mal zuschauen. Interessant war die Partie dennoch, weil sie eine weitere Facette der Guardiolisierung offenbarte: Im System des Bayern-Trainers finden neuerdings auch Freigeister ihr Glück.

Den Typus des Instinktfußballers verkörpert keiner besser als der wandelnde Raumdeuter und Anarchist Thomas Müller - ausgerechnet der hatte bisher seine Probleme mit dem Feintuning unter Guardiola. Bis zu diesem lauen Abend im Münchner Altweibersommer.

Zwei Tore (17., 64.) und eine Vorlage zu einem Treffer gelangen dem Nationalspieler, der diesmal in bester Müller-Manier mit dem angelegten Oberarm (1:0) und per Stechschritt im Fallen (3:1) traf. "Ich kenne Thomas nur so, er hat schon immer solche Tore geschossen", sagte Kollege Philipp Lahm anerkennend, "er ist einfach brandgefährlich - ob mit dem Kopf, dem Fuß oder sonstigen Körperteilen."

Müllers Erweckungserlebnis war dringend nötig, schließlich hatte er in der Bundesliga unter den vielen Positionswechseln im Bayern-Spiel gelitten - zuletzt auf Schalke rotierte er sogar auf ganz ungewohntes Terrain: die Bank. Müller behielt trotzdem Haltung und sagte am Mittwoch nach dem Spiel: "Im Pokal lief es für mich jetzt zweimal gut. Jeder tut eben, was er kann." In der ersten Cup-Runde in Rehden hatte er dreimal getroffen.

Entscheidend für seine Befreiung war das Gespür Müllers für den richtigen Moment. Anstatt auf der rechten Außenbahn zu kleben, gönnte sich der Oberbayer gegen die überforderten Hannoveraner einige Ausflüge in die Spitze. Müller war kaum greifbar, Müller war überall. Müller war endlich wieder Müller: Ein Bazi mit speziellem Riecher für verzwickte Situationen. Genau solche Rochaden wünscht sich Guardiola von seinen Spielern, die vom Vollstrecker bis zum Abwehrprellbock eigentlich jede fußballerische Finesse beherrschen sollten.

"Wir haben mit Überzeugung und Autorität gespielt", lobte der Katalane, "und so mussten auch die Tore fallen." Doch bei näherer Betrachtung fielen ihm auch Nachlässigkeiten auf: "In den letzten zehn, fünfzehn Minuten der ersten Halbzeit haben wir unsere Ordnung verloren." In Wahrheit verpennten die Bayern nach Pizarros 2:0 (Kopfball, 27.) und dem zwischenzeitlichen 1:2 durch Hannovers Ya Konan (37.) zudem den Beginn der zweiten Hälfte.

In dieser Phase wirkte der Auftritt der Münchner arg lässig und hätte der Gegner nicht 96, sondern zum Beispiel ManCity geheißen, hätte dieser entspannte Abend auch zum Ärgernis werden können. Stürmer Pizarro, der diesmal anstelle von Mario Mandzukic ran durfte, ist das auch aufgefallen: "Wenn wir unsere Chancen nutzen, wird es schwierig, uns aufzuhalten. Nach dem 2:0 haben wir nicht so gut gespielt und zu viel zugelassen. Gegen große Mannschaften kann das tödlich sein."

So brachte die Begegnung neben dem Saison-Coming-Out von Thomas Müller auch noch eine zweite Erkenntnis: Für diese Bayern ist das Geschehen in Deutschland derzeit keine echte Herausforderung. Ein Glück, dass es demnächst auf die Insel nach Manchester geht.

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