Süddeutsche Zeitung

Hängender Transfer:Die verlockende Frucht des Neuen

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Er schälte eine Mango, sie saßen in der Couch-Ecke: Kein Zweifel - der Transfer von Sadio Mané zum FC Bayern war das Resultat tiefer Sympathie. Was soll da bloß Robert Lewandowski denken?

Glosse von Philipp Selldorf

"Sadio empfing uns bei sich zu Hause, stand mit kurzer Hose in der Tür und schälte entspannt eine Mango."

Würde diese Ouvertüre eines Rendezvous nicht einem just erschienenen Interview der Sportbild mit Hasan Salihamidzic entstammen, sondern ein belletristisches Werk eröffnen, dann wäre sie geeignet, mit großen ersten Sätzen der Weltliteratur zu konkurrieren. Während aber zum Beispiel der Kollege Franz Kafka sofort auf den Kern seiner Genre-Erzählung zusteuert ("Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt"), lässt Salihamidzic bei der Schilderung seiner ersten Begegnung mit Sadio Mané offen, wohin sich die Situation entwickeln wird.

Die Annahme, aufgrund gewisser sprachlicher Zeichen einen frivolen Unterton zu hören, scheint sich zu bestätigen, als es der Erzähler im weiteren Verlauf tatsächlich knistern lässt: "Die Atmosphäre war von Anfang an zugewandt und locker. Wir hatten sofort einen Draht zueinander, ich hatte auf Anhieb ein gutes Gefühl." Und ja, der Verdacht, dass es heiß wird, nimmt ernsthaft Formen an, als Bayern Münchens Sportvorstand sogar noch tiefer in die Details seines Treffens mit dem Fußballprofi des FC Liverpool geht: "Nach ein wenig Smalltalk haben wir uns in eine Couch-Ecke gesetzt, wo ich ihm versicherte, dass ich mit dem Kopf durch die Wand gehen würde, um ihn zu bekommen."

All dies steht wirklich exakt so in dem Interview, und man kann sicher sein, dass mindestens ein Leser das Magazin unter wütenden Flüchen in die Ecke gefeuert hat. "Swinstwo!", rief der Mann in seiner Muttersprache aus - aus dem Polnischen ins Deutsche übersetzt: Sauerei!

Da er jetzt erfahren hat, dass Mané das neue Schätzchen der Bayern ist, kommt sich Robert Lewandowski noch ungeliebter vor als vorher schon. Kein Bayern-Boss hat sich bisher in seine Couch-Ecke gesetzt, nie haben ihm Salihamidzic und Co. versprochen, mit ihren Köpfen für ihn Wände durchbrechen zu wollen. Nur ein "Basta!" und ein "Vertrag bis 2023!" haben sie ihm zu bieten. "In meinem Inneren ist etwas erloschen", ging es Lewandowski durch den Kopf, und er fand Gefallen an dieser Formulierung. Ein guter erster Satz für mein nächstes Sportbild-Interview, entschied er.

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