Süddeutsche Zeitung

Müller, Hummels und Boateng:Die Botschaft des FC Bayern

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Aus dem Stadion von Tim Brack, München

Es war ein scheinbar ganz normaler Nachmittag im Norden von München. Der VfL Wolfsburg war beim FC Bayern zu Gast und konnte im 22. Versuch zum 22. Mal nicht gewinnen. Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng leisteten ihren Beitrag zum souveränen 6:0 (2:0). Die drei trugen ihre roten Trikots, auf der Brust das Vereinswappen, auf dem Rücken die Nummer, darunter der Name. Von außen sah alles gewöhnlich aus. Und dennoch war etwas anders: Erstmals sah man die drei als ehemalige Nationalspieler.

Mit großer Sicherheit werden Müller, Hummels und Boateng schon bald primär wieder als Bayern-Spieler wahrgenommen werden und nicht als frühere DFB-Spieler. Doch an diesem Samstag war die recht unehrenhafte Entlassung aus ihren Nationalmannschafts-Würden noch zu frisch in der Erinnerung. Erst am Dienstag hatte Bundestrainer Joachim Löw sie aus der Gegenwart und Zukunft der Nationalelf verbannt.

Gegen Wolfsburg gab es die Gelegenheit zur sogenannten Trotzreaktion auf dem Spielfeld. Die erste Möglichkeit dazu nutzte Bayern-Trainer Niko Kovac, der das komplette Trio in die Startelf beförderte. Das durfte durchaus als Botschaft interpretiert werden: Beim FC Bayern hält man zusammen. So war das bereits unter der Woche kommuniziert worden. Nachdem der Sieg gegen die überforderten Wolfsburger feststand und die Münchner die Tabellenführung zurückerobert hatten, setzte sich dieses Mia san eins auf bemerkenswerte Art fort.

Manuel Neuer gibt sich diplomatisch und altersweise

Vor dem so wichtigen Achtelfinal-Rückspiel gegen Liverpool am Mittwoch erhielten die Mitspieler von Boateng, Hummels und Müller die Chance, ihre Meinung zu der Angelegenheit zu äußern. Am beherztesten ergriff sie Joshua Kimmich, ein deutscher Nationalspieler, der keineswegs der Vergangenheit angehört, sondern für die Zukunft der DFB-Auswahl steht. Er kritisierte Bundestrainer Löw recht offen für den Umgang mit seinen Klubkollegen. "Wenn ich das aus Spielersicht bewerten muss, ist die Art und Weise nicht okay. Da verstehe ich absolut, dass die Jungs enttäuscht sind", sagte der Rechtsverteidiger. Das Trio hätte "einen anderen Abgang verdient" gehabt.

Vor allem das Alter, in dem Hummels, Boateng, beide 30, und Müller, 29, ausscheiden mussten, verwunderte Kimmich. "Ich finde, im Fußball wird immer über alt und jung gesprochen. Man ist entweder gut oder schlecht. Das ist das, was man bewerten muss", sagte der 24-jährige Kimmich, dem gegen Wolfsburg der Treffer zum 5:0 gelungen war. "Man", das ist in diesem Fall Joachim Löw, sein Chef in der Nationalmannschaft, den er spätestens in elf Tagen beim Länderspiel gegen Serbien wiedertreffen dürfte.

Kimmichs erster Chef beim FC Bayern, Kapitän Manuel Neuer, näherte sich der Thematik im Gegensatz zu Kimmich mit einer gewissen Altersreife. Zwar habe in dieser Woche niemand mit der Entscheidung von Löw gerechnet und er verstehe auch die Enttäuschung, sagte der 32-Jährige, aber andererseits sei "ein Trainer ja auch dafür da, Entscheidungen zu treffen".

Angesprochen auf die Endgültigkeit des Verzichts auf die jahrelangen Weggefährten, meinte Neuer nur: "Dazu kann ein Spieler nichts sagen, das ist die Entscheidung des Trainers." Das müsse man "so hinnehmen". Sichtlich bemüht manövrierte sich der Torhüter durch die fußballpolitisch unruhigen Gewässer, in denen ihm als Kapitän des FC Bayern und der Nationalmannschaft eine besonders knifflige Rolle zukommt.

Wo Neuer sich um Diplomatie bemühte, verbarg Kimmich seine Gefühlswelt kaum. "Das schüttelt man nicht so einfach ab. Ich bin selber Nationalspieler und weiß, wie besonders es ist, für Deutschland zu spielen. So ist es bei den dreien auch", sagte Kimmich. Er kenne die DFB-Elf aus seiner Jugend nur mit dem Stürmer und den beiden Verteidigern. "Die letzten zehn Jahre haben sie das Team geprägt, uns zum Weltmeister gemacht."

Leon Goretzka schwärmte: "Ich verspüre nicht nur als Fußballer, sondern generell als Deutscher, eine unheimliche Dankbarkeit für die Drei, weil sie mir unheimlich viele schöne Stunden bereitet haben, auch als Fan der deutschen Nationalmannschaft, und den WM-Titel geholt haben für uns alle. Wenn ich daran zurückdenke, bekomme ich jetzt noch eine Gänsehaut."

Die drei Weltmeister selbst ließen an diesem Tag die anderen reden zu diesem Thema. Auf dem Rasen hatten sie schon gezeigt, "was sie drauf haben" (Kimmich). Thomas Müller hatte ein Tor gegen die Wolfsburger geschossen und eines aufgelegt, Hummels und Boateng problemlos die Null verteidigt. Müller verkündete mit einem schelmischen Grinsen: "Ich habe einen schönen Spieltag erlebt." Hummels wünschte nur einen schönen Abend, und Boateng ging ohne Worte zum Mannschaftsbus. Es war alles gesagt.

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SZ vom 10.03.2019
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