Süddeutsche Zeitung

Georgia Stanway beim FC Bayern:Europameisterin fürs nächste Level

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Georgia Stanway kam im Sommer von Manchester City, jetzt ist sie bereits die neue Regisseurin beim FC Bayern. Vor dem Spitzenspiel in Wolfsburg passen aber noch nicht all ihre Ideen zu denen ihrer Mitspielerinnen.

Von Christoph Leischwitz

Allein schon diese Körpersprache! Wenn Georgia Stanway das Spiel vor sich beobachtet, dann steht sie mit nach vorne gebeugtem Oberkörper da, immer wieder nestelt sie an ihrer Hose und zieht sie noch weiter nach oben, so wie andere die Ärmel hochkrempeln. Als würde die 23-Jährige sagen wollen: Mädels, ihr kommt sowieso nicht an mir vorbei, versucht es gar nicht erst, den Ball hole ich mir! Ihre Mitspielerinnen dürften froh sein, dass sie nicht mehr an ihr vorbeimüssen, nun ja, im Training schon, aber eben nicht mehr in den wichtigen Spielen. So wie vor zwölf Wochen, im EM-Finale. Als Stanway wenig später zum FC Bayern München kam, musste sie natürlich auch erstmal das übliche Ritual über sich ergehen lassen, zum Einstand ein Lied zu singen. Und was sang sie? Natürlich "Sweeeeet Caroliiiine", auf einem Plastikstuhl stehend und mit Duschschlappen an. Die heimliche Hymne der EM, die unweigerlich mit dem englischen Turniersieg verbunden ist. Es gab Applaus.

Mittwochabend, Champions League, Auftakt der Gruppenphase gegen den FC Rosengard. Die Bayern sind dominant, tun sich allerdings schwer, nach kurzem Rückstand gewinnen sie 2:1. "Da will man doch dabei sein. Champions League. Flutlicht", schwärmt Stanway nach dem Spiel. Und sie freut sich, dass ihre Mutter auf der Tribüne sitzt und zusieht, der Stolz ist Stanway anzumerken. Die Mama hatte eine unheimlich präsente Tochter gesehen. "Ich genieße die Verantwortung", sagt die Engländerin über ihre Rolle im Bayern-Dress. Am Siegtreffer ist sie maßgeblich beteiligt: ein Ballverlust der Schwedinnen, Stanway sieht endlich eine Lücke vor sich in dem sonst so kompakten Abwehrriegel der Gäste. Sie sprintet an den Sechzehner, legt klug nach außen, und die Hereingabe verwertet letztlich Linda Dallmann zum 2:1 (57.).

Mit Gedankenschnelle eine Abwehr aushebeln, das ist für Stanway eigentlich eher eine Kür-Aufgabe. Sie hat noch einige andere Aufgaben zugewiesen bekommen, die weniger mit Umschaltspiel zu tun haben, mehr mit jenem Fußball, auf den auch der neue Trainer Alexander Straus so viel Wert legt: Ballbesitzfußball.

Sie wolle die "Komfortzone verlassen", sagte Stanway vor ihrem Wechsel nach Deutschland

Bei ihrem Vereinswechsel schwärmte Stanway über ihren neuen Arbeitgeber, weil dieser sich so sehr um sie bemüht hatte. Sie genießt nun einen Vertrauensvorschuss, der zugleich große Aufgaben mit sich bringt. Im Prinzip spielt sie auf der Sechser- wie auf der Achterposition, sie übernimmt oft den Spielaufbau, sie verteilt vor dem Strafraum die Bälle. Genau deshalb sei sie nach Deutschland gekommen, sie wollte die "Komfortzone verlassen", wie sie selbst sagt. Bei ihrem vorigen Verein Manchester City wurde sie aufgrund ihrer Vielseitigkeit immer wieder auf anderen Positionen eingesetzt. "Es geht darum, mehr Beständigkeit auf einer bestimmten Position zu erreichen. Die Mitspielerinnen in den Lücken finden. Die kurzen und die langen Pässe spielen, mich selbst dabei auf ein neues Level zu hieven", erklärt sie. Stanway spricht dabei so schnell und schnörkellos, wie sie Pässe zur Frau bringt.

Bekanntermaßen hat sie ja auch noch einen enorm starken rechten Fuß, in England firmierte sie bisweilen unter dem Namen "Dampflok". Ihre Distanzschüsse sind berüchtigt. Gegen Rosengard konnte sie dieses Mittel allerdings nicht einsetzen, darauf achteten die Gegnerinnen sehr genau. So wurde auch gleich eine von Stanways Schwächen deutlich. Der Allrounderin gelingt es zwar oft, gegen unterlegene Mannschaften das Spiel schneller zu machen und Lücken zu reißen, aber ihr linker Fuß ist nicht so schussgewaltig.

In die Bundesliga startete Stanway mit der Mannschaft zufriedenstellend, die Champions-League-Qualifikation gegen Real Sociedad war sogar mehr als das. Einiges muss sich aber erst noch finden, gerade weil noch etwas Routine fehlt, mangelt es bisweilen noch an Überraschungsmomenten. Doch Stanway ist fraglos schon Regisseurin. Permanent gestikuliert sie, weil sie den Ball haben will oder weil sie anordnet, wo er hingespielt werden soll. "Sie übernimmt Verantwortung im Zentrum, das tut uns gut", bestätigt Linda Dallmann, sie schränkt aber auch ein: "Dass noch nicht alles klappt, ist klar. Man merkt manchmal noch, dass sie eine andere Idee hat als wir", sagt die 28-jährige Flügelspielerin.

Mit dem Spiel gegen Rosengard war Trainer Straus, der selbst ernannte Kontrollfreak, sehr zufrieden, man müsse eben nur noch effizienter in der Chancenverwertung werden. Gegen Wolfsburg werde es freilich ein völlig anderes Match, "wir werden nicht so viel Ballbesitz haben". Im Bundesliga-Spitzenspiel, für das bis Freitag übrigens schon 18 000 Karten verkauft waren, werden andere Qualitäten gefragt sein, auch von Stanway. "Ein großes Spiel, offensichtlich zwei große Rivalen", sagt sie voller Vorfreude. Ihr kann es nur recht sein, schließlich trifft sie in dieser Partie auf alte Bekannte aus dem EM-Finale - diesmal wieder als Gegnerinnen. Und sie ist ja nicht nur nach München gekommen, um schwächere Teams zu dominieren. Sondern auch und gerade, um Titel zu holen.

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