Süddeutsche Zeitung

FC Augsburg:Wildwest-Tage mit Fahndungsliste

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Nach den Raufereien und den Rücktritten beim FC Augsburg herrscht weiterhin Uneinigkeit im Verein, manche Spieler sprechen von einem "Schock". Trotzdem richtet sich der Blick langsam nach vorn.

Von Maik Rosner, Augsburg

Am Dienstag legte sich der aufgewirbelte Staub beim FC Augsburg zumindest ein wenig, was auch daran lag, dass sich der zurückgetretene Trainer Markus Weinzierl am Montag nach einem Laktattest ohne weitere Eskalation von der Mannschaft verabschiedet hatte. Auch sein Stab und die Spieler gingen in die Sommerpause, die bereits am Samstag mit einem Teamabend zum Saisonausklang eingeleitet worden war. Dabei hatte sich Weinzierl nach SZ-Informationen über die Gründe seines überraschenden Rücktritts mit Geschäftsführer Stefan Reuter ausgetauscht, dem er zuvor öffentlich vorgeworfen hatte, ihn hingehalten und nicht mit ihm kommuniziert zu haben. Zeugen berichten von einem vernünftig geführten Gespräch zwischen Weinzierl und Reuter beim Teamabend. Von einem Streit oder gar Handgreiflichkeiten wurde nichts bekannt.

Oft hatte man in den vergangenen Tagen allerdings den Eindruck gewinnen können, beim FCA gehe es zu wie im Wilden Westen, mit rauchenden Colts und Raufereien im Saloon. Was wirkte, als sei es einem Italowestern entsprungen, und für Unbeteiligte mitunter komödiantische Züge trug, löste im Verein und bei den Fans eher Entsetzen aus. Von einem "Schock" sprachen manche Spieler wegen der Vorkommnisse, die sich zudem so schnell aneinanderreihten, dass man kaum hinterherkam.

Ehemalige und aktuelle Spieler klagen immer wieder über die Kommunikation der Geschäftsführung

Auf die Rücktritte von Präsident Klaus Hofmann am Freitag und Trainer Weinzierl am Samstag waren am Sonntagabend schwere Vorwürfe in einem Bericht der Bild-Zeitung gefolgt. Darin war von gehackten WhatsApp-Nachrichten, Erpressung und Intrigen die Rede, durch die Hofmann von den Geschäftsführern Reuter (Sport) und Michael Ströll (Finanzen) zum Rücktritt gedrängt worden sei. Hofmann habe zuvor den gebürtigen Augsburger Armin Veh, der einst Spieler und Trainer des Vereins war und unweit der Stadt wohnt, als Kontrolleur der Geschäftsführung einsetzen wollen. Der Verein dementierte den Bericht am Montag.

Hofmann, Chef einer Brandschutzfirma, sprach in der Pressemitteilung von "stärker werdenden Stress-Signalen meines Körpers". Deshalb könne er "keine Doppelfunktion in meinem Unternehmen und gleichzeitig beim FC Augsburg vernünftig ausführen". Seine Ämter beim FCA habe er einzig aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt. Reuter und Ströll bezeichneten es in dem Kommuniqué mit Bezug auf den Zeitungsbericht als "mehr als bedenklich, wenn derartige Fehlinformationen gestreut werden".

Zugleich beklagen sich ehemalige und aktuelle Spieler immer wieder über die Geschäftsführung, vor allem wegen der aus ihrer Sicht mangelnden Kommunikation. Reuter räumte ein, dass es für die langjährigen Spieler Alfred Finnbogason, 33, und Jan Moravek, 32, "keine einfache Situation" sei, abwarten zu müssen, ob ihr auslaufender Vertrag verlängert wird. Doch die Spieler hätten ihm gegenüber "absolutes Verständnis" geäußert. Zumal ja nun zunächst ein neuer Trainer gefunden und dieser in die Kaderfragen eingebunden werden muss.

Fest steht dagegen bereits, dass der bisher von Hertha BSC ausgeliehene Mittelfeldspieler Arne Maier, 23, für eine Ablöse von fünf Millionen Euro fest verpflichtet wird. Am Montag wurde zudem bekannt, dass der langjährige Kapitän und Rekordspieler sowie zuletzt als Scout für den FCA tätige Daniel Baier in gleicher Funktion zum VfL Wolfsburg überläuft. Nebenbei rief die mit sechs Jahren Verspätung vollzogene Verabschiedung des früheren Torwarts Alexander Manninger teils Spott hervor. Zurück blieb ein Publikum, das sich mindestens wunderte und fragte: Was ist da eigentlich los beim FCA?

Als gesichert darf gelten, dass es zwischen Hofmann und Reuter mehrmals zu Differenzen gekommen war

Horcht man in den Verein hinein, fallen die Erzählungen sehr unterschiedlich aus, abhängig davon, mit wem man spricht. Als gesichert darf gelten, dass es zwischen Hofmann und Reuter mehrmals zu Differenzen gekommen war, in denen es auch um Kompetenz- und Machtfragen ging. Zugleich weichen manche Erzählungen teils deutlich von der Darstellung ab, wonach Reuter allein dafür verantwortlich gewesen sein soll, dass sich Weinzierl bei der Frage nach einer Verlängerung seines auslaufenden Vertrages hingehalten fühlte. Vielmehr habe auch Hofmann wegen der Inkonstanz der Mannschaft mehrfach darauf gedrängt, die Vertragsgespräche zu vertagen, heißt es. Überdies sollen es Weinzierls bisherige Assistenten durchaus kritisch sehen, dass ihr Chef kurz nach Hofmanns Rücktritt recht spontan hingeworfen und damit auch ihre Zukunft im Verein gefährdet hat. Ob und wie es mit Weinzierls bisherigem Stab weitergeht, entscheidet nun auch der künftige Trainer.

Nach diesem fahnden sie jetzt beim FCA. Nach SZ-Informationen wurde vielmehr eine Liste möglicher Kandidaten erstellt, über die von Reuter, Ströll und dem Leiter der Lizenzspielerabteilung, Christoph Janker, beraten wird. Zeitnah soll entschieden werden, mit welchem Trainer man in Gespräche einsteigt. Wichtig ist den Augsburgern nicht das Alter, sondern dass der Fußballlehrer zum Verein passt und junge Spieler entwickeln kann. Bisher dachte man, dass das auf Weinzierl zutrifft. Doch dann kamen die Wildwest-Tage dazwischen.

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