Süddeutsche Zeitung

Europa League:Traumafinale für Klopp und den FC Liverpool

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Von Sebastian Fischer, Basel

Wenn er wirklich so lässig drauf war, so entspannt wie er in den Tagen zuvor hatte wirken wollen, mit lässigem Grinsen bei jedem öffentlichen Auftritt - dann war es damit jetzt vorbei. Jürgen Klopp hatte eben noch gelacht auf dem Rasen des St. Jakob Park in Basel, doch jetzt stand er da im Mittelkreis, die Arme verschränkt, und starrte auf das Meer aus Fahnen, er lauschte dem Gesang der Tausenden Kehlen, die Liverpools Hymne in den lauen Basler Abend brüllten. Jürgen Klopp grinste nicht. Er sah aus, als verneige er sich vor diesem Abend in Demut.

Es ging am Mittwochabend in Basel ja auch um die Vergangenheit des früheren Trainers von Borussia Dortmund, um seine Beziehung zu Finalspielen. Zwar hat er das mit einem Spruch abgewiegelt - "zu Hause habe ich ein paar Silbermedaillen zu viel", ha! -, doch die Bilanz ist ja beängstigend: 2013 mit Dortmund im Finale der Champions League verloren, 2014 und 2015 mit dem BVB im Finale des DFB-Pokals, 2016 im Endspiel um den League Cup mit Liverpool, verloren, verloren, verloren.

Das fünfte Finale sollte sein vielleicht größtes werden, ein Triumph vor den Fans des FC Liverpool, die sein Gesicht auf T- Shirts tragen. Doch Klopp hat es wieder verloren, mit 1:3 (1:0) gegen den FC Sevilla - und das verdient.

Das Spiel begann mit zitternden Knien, mit Fehlpässen und Grätschen. In jedem Pass, in jedem Lauf, in jedem Schuss waren die 62 Spiele zu erkennen, die beiden Mannschaften in den Gliedern steckten. Manchmal macht in solchen Spielen die Kulisse den Unterschied, und Basel war schon am Nachmittag zu einer Feiermeile für die Liverpool-Fans mutiert, sie waren Abertausende mehr als die Fans des FC Sevilla, sie sangen in der Altstadt ihre Lieder, sangen über Jürgen Klopp, ihre Laune war überschwänglich.

Sie brüllten die Reds zunächst nach vorne, lauter und lauter, und das täuschte in der Anfangsphase darüber hinweg, dass eigentlich der FC Sevilla die bessere Spielanlage hatte. Beide Mannschaften begegneten sich in einem ähnlichen 4-2-3-1-System, doch während Liverpool das Mittelfeld unkonventionell überbrückte, versuchten sich die Spanier an so etwas wie Spielaufbau. Und Liverpool? Dejan Lovren grätschte nach einer halben Stunde Sevillas Stürmer Kevin Gameiro in die Beine, der Ball war meterweit weg, Lovren sah für seine heftige Kampfansage gelb.

"Mutig sein, organisiert sein", das hatte Klopp vor dem Spiel gefordert, es sollte der Schlüssel werden in diesem Spiel. Liverpool war nach Lovrens Grätsche immerhin mutiger, und nur so war es zu erklären, dass Angreifer Daniel Sturridge in diesen hektischen Abend in aller Ruhe ein formvollendetes Kunstwerk pinselte: 35 Minuten waren gespielt, da spielte Philippe Coutinho den britischen Nationalstürmer am Rande des Strafraums frei. Sturridge nahm den Ball an und schoss ihn mit dem Außenrist in die entfernte Ecke, der Ball schien in Zeitlupe zu schweben, doch er war unerreichbar für Soria, 1:0.

Sevilla aber ist ein Europapokalmonster - und es war an diesem Abend nicht mit einer Grätsche und einem Kunststück zu schlagen.

Ein paar Sekunden nach der Pause fällt das 1:1

Die zweite Halbzeit war kaum ein paar Sekunden alt, da nahm sich Sevillas Brasilianer Mariano Ferreira den Ball, und er ließ ihn nicht mehr vom Fuß, bis er in Liverpools Strafraum auf Höhe des Fünfmeterraums angelangt war, niemand konnte seinen Lauf stoppen. Er passte er in die Mitte zu Gameiro, jenem Angreifer, der in allen Wettbewerben zusammen vor diesem Finale 28 Tore geschossen hatte, allein in der Europa League hatte er siebenmal getroffen. Natürlich traf er auch diesmal.

Plötzlich hüpften und sangen in einer Ecke des Stadions lauter glückliche Menschen, die sich zuvor kaum bemerkbar gemacht hatten: Die Fans des FC Sevilla. Dirigiert von Trainer Unay Emery war nun wie zu Beginn des Spiels wieder Sevilla die Mannschaft, die das Spiel diktierte. Nach 64 Minuten spazierte Sevillas Vitolo durchs Mittelfeld, Klopps Mannschaft schien nun auch der Mut abhanden gekommen zu sein. Coke lief in Vitolos Pass, er schoss das 2:1. Sechs Minuten später stand eben jener Coke völlig frei am langen Pfosten, schoss erneut, und entschied das Spiel. War das Abseits? Klopp fletschte noch einmal die Zähne vor dem Schiedsrichter am Rande, er witterte eine Fehlentscheidung. Es war aber keine, denn der Ball war von einem Liverpooler gekommen.

Und so war es wie in so vielen Finals zuvor: Das Zähnefletschen verlor, Sevilla gewann. Die Spanier haben nun das dritte Endspiel in Serie in der Europa League gewonnen und zum zweiten Mal den Titel verteidigt - eine Statistik, die Jürgen Klopp wie Häme vorkommen muss.

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Quelle:
SZ vom 19.05.2016
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