Süddeutsche Zeitung

Finale der Champions League:Münchens Eishockey-Traum zerschellt

Lesezeit: 3 min

Von Johannes Schnitzler, Göteborg

Neben dem Scandinavium in Göteborg, wo am Dienstagabend das Endspiel der Champions Hockey League (CHL) zwischen Frölunda und dem deutschen Meister EHC Red Bull München stattfinden sollte, ragen die Gothia Towers in den Himmel, ein Hotelkomplex aus drei mit Glas verspiegelten Türmen, die über Fußgängerbrücken miteinander verbunden sind. Wären die Türme Menschen, befänden sich diese Brücken in etwa auf Schulterhöhe, weshalb es so aussieht, als gingen drei Riesen nebeneinander her, der mittlere die beiden äußeren umarmend. Ob sie sich feiernd in den Armen liegen oder ob die äußeren den mittleren stützen müssen, sieht man nicht. Sind ja nur Türme.

Nach dem 3:1 (1:0, 2:0, 0:1) für Frölunda war es so: Die Fans der Indians lagen sich feiernd in den Armen, die Anhänger des EHC mussten einander auf dem Heimweg ins Hotel mindestens moralisch stützen. Der Münchner Traum, als erste deutsche Mannschaft die Champions League zu gewinnen, war an schwedischer Schlittschuhkunst zerschellt. Trainer Don Jackson sagte dennoch seinen Spielern, dass sie "stolz auf sich sein können", Verteidiger Konrad Abeltshauser erklärte: "So schön unser Sport ist, so brutal weh tut es heute, den anderen beim Feiern zuzusehen. Aber wir hören nicht auf, bis wir den Pokal nach München bringen."

Der EHC hat schon viele Rückstände aufgeholt - diesmal fand das Team kein Mittel

Vor dem Finale in der mit 12 044 Zuschauern ausverkauften Arena (mehr Zuschauer waren nur bei einem Konzert von Whitney Houston in der Halle) war die Zuversicht groß gewesen bei den Münchnern. Stürmer Matt Stajan, 35, der nach seinen Worten "nicht mehr in einem Finale stand seit den Junioren-Weltmeisterschaften 2003", sagte nach dem morgendlichen Aufwärmen: "Es ist nur ein Spiel, und der Champion steht fest" - hopp oder topp. Der Titel wäre für den Veteranen mit mehr als 1000 NHL-Spielen eine Memorabilie gewesen, ebenso wie für Kapitän Michael Wolf, 38, der nach der Saison seine Karriere beenden wird.

Christian Winkler, der nach seinem Knöchelbruch noch immer auf Krücken durch die Lobby des Teamhotels humpelte, bezweifelte den Heimvorteil der Schweden: Das Scandinavium erinnere ihn an die Olympiahalle, sagte der Manager. So viel Optimismus beeindruckt sogar einen dreimaligen Weltmeister: "Wir werden unser bestes Eishockey spielen müssen, um München zu schlagen", sagte Frölundas Kapitän Joel Lundqvist. Ängstlich klangen die Indianer, die zum vierten Mal im CHL-Finale standen, allerdings nicht. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", erklärte Trainer Roger Rönnberg.

Das große Anschwitzen vor dem Spiel begann, wie das in den internationalen Richtlinien für Eishockeyspiele mit deutscher Beteiligung (geheimes Zusatzprotokoll) festgeschrieben ist, mit Geräuschen von Rammstein. Und so knackig ging es weiter, nach knapp drei Minuten waren die Münchner erstmals in Überzahl. Etwa 500 Fans hatten den EHC nach Schweden begleitet, hatten akustisch aber ungefähr so viele Chancen wie ein Spatz in einem Rammstein-Konzert. Nur einmal machten sie sich bemerkbar, aber Frank Mauer scheiterte an Johan Gustafsson, dem Torhüter mit den wenigsten Gegentoren pro Spiel in der CHL.

Für Frölunda war Münchens frecher Auftakt das Signal zur Tempoverschärfung. Als Mark Voakes ein Foul unterlief, umkreisten die Indianer das Tor von Danny aus den Birken, bis Samuel Fagemo, ein 18-Jähriger, einen ersten Pfeil ins Münchner Herz schoss. 1:0 für Frölunda (11.).

Auch eine doppelte Überzahl bleibt ungenutzt

Der EHC hat in dieser CHL-Saison gezeigt, dass er Rückstände drehen und Auswärtsspiele gewinnen kann. Aber nun? Ohne Topscorer John Mitchell und den bis zu seiner Verletzung besten DEL-Torschützen Maximilian Kastner schien die Aufgabe für den Finaldebütanten größer zu werden als die Gothia Towers. Fagemo flog durchs Münchner Drittel wie ein Eisvogel auf der Jagd nach einem leckeren Fisch, der EHC setzte Wucht und Wille dagegen. Am Ende des ersten Drittels hatten die Münchner sogar mehr Schüsse aufs Tor (8:6) abgegeben. Was Effizienz bedeutet, demonstrierten aber die Schweden: zweites Powerplay, zweiter Treffer (24.) durch Ryan Lasch, den Topscorer der CHL. Aus den Birken verhinderte mit starkem Reflex das 0:3 durch Fagemo, die Latte rettete gegen Patrik Westerholm. Dann kassierte Yannic Seidenberg für einen unsauberen Check eine doppelte Strafe, und Frölunda nutzte auch das dritte Powerplay. Nach einer präzisen Kombination streichelte Ponthus Westerholm den Puck ins Tor (35.).

München? Ließ auch eine doppelte Überzahl ungenutzt. Wie zum Hohn fischte Gustafsson einen Schuss von Wolf aufreizend langsam aus dem Kreuzeck. Knapp zehn Minuten vor Schluss nahm EHC-Coach Don Jackson aus den Birken aus dem Tor, Patrick Hager packte die Fäuste aus - und auf einmal lag der Puck im Tor der Indians: Yasin Ehliz hatte auf 1:3 verkürzt (52.), ein kleiner Sieg für die Moral.

Der EHC München darf sich damit trösten, dass er 345 Tage nach dem olympischen Finale der Eishockey-Nation einen weiteren Gedenktag beschert hat. Nach ein paar Tagen Urlaub geht es in der DEL erst am 15. Februar gegen Nürnberg weiter. Der vierte Titel soll her. Jetzt erst recht.

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SZ vom 06.02.2019
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