Süddeutsche Zeitung

Frankfurt in der Europa League:"Es ist unbeschreiblich, was in diesem Jahr abgeht"

Lesezeit: 3 min

Von Tobias Schächter, Frankfurt

Kevin Trapp war begeistert wie ein kleines Kind. Gerade hatte Eintracht Frankfurt im Achtelfinal-Hinspiel der Europa League 0:0 gegen Inter Mailand gespielt. Es gibt wahrlich bessere Vorlagen für ein Rückspiel beim Tabellenvierten der Serie A, dennoch feierten die Fans der Eintracht ihre Mannschaft nach dem Abpfiff minutenlang wie nach einem großen Sieg. "Ich habe gerade zu Seppl gesagt: Es ist unbeschreiblich, was in diesem Jahr abgeht", sagte Eintracht-Torwart Trapp. "Seppl" ist Sebastian Rode und wie Trapp einer, der einst von Frankfurt weg ging, um sein Glück bei einem größeren Verein zu suchen.

Nun sind sie zurück und erleben eine Eintracht, mit der plötzlich große Ziele realistisch wirken. Trapp kam im Sommer auf Leihbasis von Paris Saint-Germain zum Pokalsieger, Rode im Winter aus Dortmund, nachdem er zuvor schon beim FC Bayern den Durchbruch nicht geschafft hatte. Nun erleben die beiden 28-Jährigen einen Europapokaltraum mit der Eintracht: Noch immer ist Frankfurt in der Europa League ungeschlagen. Und vor allem die starke Leistung in der zweiten Halbzeit gegen Inter gibt Hoffnung, dass der Traum nächsten Donnerstag im Rückspiel im Giuseppe-Meazza-Stadion noch nicht beendet sein muss.

So lässt sich auch erklären, dass bei den Frankfurtern trotz des mauen Ergebnisses Optimismus herrschte. "Wir fahren mit einem guten Gefühl und über 13 000 Fans nach Mailand", kündigte Rode an. Sportvorstand Fredi Bobic sagte: "Das 0:0 lässt uns zwei Optionen beim Rückspiel in San Siro. Inter hat dagegen nur eine Option: Sie müssen gewinnen, uns reicht auswärts ein Unentschieden mit einem Tor." Und Routinier Makoto Hasebe bezifferte die Chancen auf das Viertelfinale hochoptimistisch auf "mindestens 51 Prozent".

In Frankfurt haben sich Fans und die Mannschaft in den vergangenen Wochen in eine "Alles ist möglich"-Stimmung gespielt und gefeiert. "Gänsehaut" habe er schon beim Einlaufen in die mit 48 000 Menschen ausverkaufte Arena gespürt, erzählte Trapp. Grund für Trapps Gefühlslage war eine beeindruckende Choreographie: In drei Kurven schwenkten die Eintracht-Fans rote, silberne und schwarze Fähnchen, in der Nordwestkurve der Frankfurter Fans entfaltete sich eine schwarz-weiße 120 auf goldenem Grund. An diesem Freitag vor 120 Jahren wurde der Vorläuferverein der Eintracht gegründet.

Eine Gala spielte sich in den ersten 45 Minuten nur auf den Rängen ab. Auf dem Spielfeld nahm Inter den Frankfurtern mit Ballsicherheit und Cleverness den Schwung, eine Führung für die Italiener wäre verdient gewesen - und möglich. Aber Kevin Trapp verhinderte einen Rückstand, als er mit einer großartigen Parade einen Strafstoß von Marcelo Brozovic abwehrte (21.). "Es ist ein unfassbares Gefühl, vor der eigenen Kurve den Elfmeter zu halten", schwärmte Trapp hinterher. Zumal der Strafstoßpfiff umstritten war. Inter-Stürmer Lautaro Martinez fiel eher freiwillig im Zweikampf mit Gelson Fernandes.

In der zweiten Hälfte spielten die Frankfurter mutiger und aggressiver, scheiterten aber mehrfach am starken Inter-Torwart Samir Handanovic. Rode schloss aus der Druckphase: "Wenn man aggressiv auftritt, kann man denen wehtun." Für Ärger bei den Frankfurtern sorgte ein ausgebliebener Elfmeterpfiff des schottischen Schiedsrichters William Collum in der 52. Minute. Inters Verteidiger Danilo D'Ambrosio hatte Eintracht-Mittelstürmer Sebastien Haller im Strafraum klar am Torschuss gehindert und zu Fall gebracht.

Aus Frust hatte Eintracht-Trainer Adi Hütter eine Trinkflasche weggetreten - der Unparteiische verwies den Österreicher daraufhin aus dem Innenraum. Hütter verfolgte die Partie fortan aus einer Loge mit Sportvorstand Bobic. Der sonst so kontrollierte Eintracht-Trainer entschuldigte sich hinterher. "Ich habe mich aufgeregt, weil es ein klarer Elfmeter war. Aber mein Verhalten hat mir im Nachhinein selbst nicht gefallen", sagte Hütter und fügte schelmisch hinzu: "Man hat aber auch gesehen, dass ich in meiner aktiven Karriere einen guten rechten Fuß gehabt hatte." Auf das Rückspiel angesprochen, schob Hütter, ganz Taktiker, Inter die Favoritenrolle zu. Er sagte aber auch: "Man muss von einem gerechten Ergebnis sprechen, das uns alle Chancen im Rückspiel offenhält." Er selbst wird seine Mannschaft dabei nicht von der Seitenlinie aus unterstützen können. Die Uefa sperrte ihn nach seinem Flaschen-Tritt für eine Partie.

Schlecht für die Eintracht ist zudem, dass sie in der Liga erst am Montag in Düsseldorf spielt, bevor es am Donnerstag zum Showdown in Mailand kommt. Gut für die Eintracht könnte sein, dass in der Lombardei möglicherweise wieder Ante Rebic dabei ist, der am Donnerstag am Knie verletzt gefehlt hatte. Beide Teams müssen wegen Gelb-Sperren auf wichtige Spieler im Rückspiel verzichten: Die Eintracht auf Kapitän Gelson Fernandes, Inter auf Linksverteidiger Kwadwo Asamoah und Stürmer Lautaro Martinez. Ob die Sperre von Martinez den Ausschlag gibt, den Streit des Klubs mit Stürmer Mauro Icardi zu lösen? Der Argentinier täuscht offenbar eine Verletzung vor, nachdem ihm der Klub nach zermürbenden Vertragsverhandlungen mit dessen Frau das Kapitänsamt entzogen hatte. Inter-Trainer Luciano Spalletti erklärte nach dem Spiel, er habe Icardi angeboten mitzutrainieren, der Spieler sich aber weiter verletzt gemeldet.

Spalletti, am Donnerstag 60 Jahre alt geworden, antwortete nach dem Abpfiff auf wenige Fragen ausschweifend. Die Essenz seiner Monologe traf die Situation nach dem Nullnull am besten: "Was das Ergebnis bringt, wird das Rückspiel zeigen, die Chancen stehen gleich." Das klingt banal - und verspricht trotzdem Spannung.

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