Süddeutsche Zeitung

Eishockeyteam Edmonton Oilers:Der Blockbuster als einzige Chance

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Vor dem Ende der Tauschgeschäfte in der NHL geht es beim Klub des Deutschen Leon Draisaitl um den Ausgang dieser Saison: Von Finalteilnahme bis Verpassen der Playoffs ist vieles denkbar - Gewissheit kann nur ein Geniestreich bringen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer einen richtig traurigen Menschen sehen will, sollte dieses Interview mit Connor McDavid nach der Partie gegen die Columbus Blue Jackets betrachten. Wie es ihm gehe und wie er die Leistung des Teams beurteile, wurde der Stürmer der Edmonton Oilers am Sonntag gefragt. Er sagte mit einem Blick, den nur verlassene Teenager derart herzzerreißend hinkriegen: "Offensichtlich nicht besonders gut." Dann fügte er leise an: "Es ist einfach nicht gut genug. Wir haben aufgeholt und uns selbst ins Spiel zurück gebracht. Aber es war ein blamabler Beginn und ein blamables Ende."

Zwei Tore hatte er selbst erzielt und damit seine Führung als bester Punktesammler der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL ausgebaut. Fünf Treffer hatten die Oilers insgesamt geschafft, McDavids kongenialer Kollege Leon Draisaitl hatte auch getroffen, er liegt nun auf Platz zwei der Scorerliste (89 Punkte, McDavid hat 115). Doch was hilft das schon, wenn man hinten sechs kassiert, gegen das schlechteste Team der Liga?

Am Montagabend dann, gegen die Boston Bruins, das gleiche Bild: Die Oilers hielten sehr gut mit gegen das derzeit stärkste Team der NHL, das sogar uralte Siegrekorde jagt. McDavid erzielte wieder zwei Tore, eines vorbereitet vom Deutschen Draisaitl per Präzisionspass über beinahe die komplette Eisfläche. Doch was bringt das, wenn in der Abwehr vieles schiefgeht? Der Siegtreffer der Bruins im Schlussdrittel stand stellvertretend für den bedauerlichen Zustand der Oilers-Defensive: Eigentlich keine Gefahr, Torwart Stuart Skinner will den Puck mit seinem Schläger klären - er trifft aber den Stick des heranhechtenden Boston-Angreifers Pavel Zacha, von dort aus fliegt das Spielgerät über Skinner hinweg ins eigene Tor.

Stand jetzt liegen die Oilers auf einem Platz, der zur Teilnahme an den Playoffs berechtigen würde. Allerdings haben mit der Partie gegen Boston die Wochen begonnen, die sie in Edmonton als Maßstab für den Rest der Saison identifiziert haben: Es geht jeweils zwei Mal gegen die Bruins, die Toronto Maple Leafs und die Winnipeg Jets sowie je ein Mal gegen Seattle Kraken und die Buffalo Sabres - alle Stand jetzt Playoff-Teilnehmer. "Das sind gute Tests, die werden uns das Beste abverlangen; dann dürften wir wissen, wo wir stehen", sagt Draisaitl.

Es ist die derzeit spannendste Frage in der NHL: Wie gut ist der Halbfinalist der Vorsaison? Ein Team, das sich erst gegen die schlechteste Truppe der Liga blamiert - und zwei Tage später gegen die möglicherweise bald erfolgreichste Mannschaft der Geschichte mithält, bisweilen sogar besser ist? Das mit Abstand die meisten Tore der Liga erzielt hat (232) und trotzdem um die Playoff-Teilnahme bangt? Die Prognosen reichen von Finalteilnahme bis zum Verpassen der Playoffs.

Die kommenden Tage sind aber nicht nur deswegen entscheidend für Leon Draisaitl und sein Team, sondern auch wegen der sogenannten "Trade Deadline" am Freitag: Bis dahin können die Vereine noch Akteure untereinander tauschen, ebenso wie das Wahlrecht bei der folgenden Talentbörse. Das ist die Chance für die Erfolglosen, teurere Spieler loszuwerden und sich für die Zukunft aufzustellen - und für die Titelkandidaten, diese ein, zwei Namen zu finden, die später als Stanley-Cup-Gewinner auf die 130 Jahre alte Trophäe graviert werden. Das Problem der Oilers: Sie haben weder Spielraum bei der Gehaltsobergrenze noch begehrtes Tauschmaterial. Manager Ken Holland hat angesichts der erfolgreichen vergangenen Spielzeit wohl geglaubt, dass den Oilers nur ein, zwei Puzzleteile fehlen. Er bemerkt nun, dass es stattdessen wohl einen Geniestreich braucht.

"Ich bin dauernd am Telefon", sagt Holland, der bekannt dafür ist, erst am letzten Trade-Tag zuzuschlagen: "Wenn das Angebot stimmt, würde ich Wahlrechte in der ersten Runde abgeben." Gerüchte gibt es genug, verbessert haben sich bislang aber andere Titelkandidaten wie Bruins, Maple Leafs, New Jersey Devils und New York Rangers. Aber: Das sind allesamt Teams in der Eastern Conference, auf die Edmonton frühestens in den Finals treffen würde.

Am Wochenende, nach dem Ende der Tauschgeschäfte, dürften die Oilers wissen, wie es weitergeht - in der Tabelle und auch perspektivisch für den Rest der Saison. Manche Oilers-Fans haben noch einen ganz anderen Vorschlag für ihren Manager, interessanterweise unter dem Video mit dem traurigen McDavid auf der Twitter-Seite der Oilers. Sollte Holland kein Blockbuster-Deal gelingen, dann solle er, so die traurige Forderung eines Sportfans, "McDavid zu einem anderen Team gehen lassen".

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